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Das Drachenboot

Das Drachenboot

Titel: Das Drachenboot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari Köster-Lösche
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Högni nicht den Gefallen verweigern, um den er uns bat. Ich war ihm ja nun auch verpflichtet.«
    »Hat er darauf hingewiesen?« fragte Folke schnell. Aud nickte.
    So war das also gewesen. Högni hatte sich nicht gescheut, sich einer Frau zu bedienen, die von ihm abhängig war. Folkes Wut über den Verlauf seiner Fahrt flackerte plötzlich wieder auf und wurde zum Haß gegen den Kaufmann. Högnis rüde Vorgehensweise war bekannt, aber daß er sie auch gegenüber schutzlosen Frauen anwandte, war ihm neu. Folke bemühte sich, ruhig zu bleiben. Aud hatte andere Sorgen; er wollte sie nicht zusätzlich belasten.
    »Für euch wäre es sicherer gewesen, wenn du den Männern gefolgt wärst«, murmelte er.
    Trotz der nun schnell fallenden Dunkelheit konnte Folke sehen, wie Aud errötete. Aus Scham oder auch aus Zorn, weil die Männer recht behalten hatten. Er hatte selbst miterlebt, wie stolz sie mit der Botschaft gekommen war, und er konnte sich auch vorstellen, daß sie die Männer laut der Feigheit geziehen hatte - zu einer Zeit, als sie ihren Hausfrieden selbst mit der Axt verteidigt hatte. Und nun dies.
    »Wer hat ihn denn nun erschlagen?« Aud schüttelte immer noch fassungslos den Kopf. »Wißt ihr es denn selber nicht?«
    »Bestimmt nicht«, antwortete Folke erstaunt.
    »Ich auch nicht.«
    »Bist du ganz sicher, daß niemand es weiß?« fragte Folke eindringlich.
    »Keiner aus dem Dorf hat euren Sklaven auch nur angerührt«, beteuerte Aud.
    »Dann war es ja doch einer aus der Mannschaft«, stellte Folke mehr für sich fest. Er wunderte sich nicht. Denn daß die Bauern und Fischer einer Auseinandersetzung mit der Schiffsmannschaft eines Königs, auch wenn er nur ein Gaukönig war, aus dem Wege gingen, lag auf der Hand. Weniger offensichtlich war das Ausmaß des Unfriedens an Bord gewesen. Da mußte einiges vorausgegangen sein, bevor sich einer entschloß, den geschworenen Frieden an Bord in dieser Art zu brechen. Ein Racheakt vielleicht? Jedenfalls schien das Anbohren des Schiffes die gleiche Art Antwort wie ein Mord an einem Sklaven.
    Aber wer hatte gefragt, und wer hatte geantwortet? Und was hatte die Streitkeule damit zu tun?
    Die vielen Fragen ohne Antworten ärgerten Folke. Er wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Strand zu. Die Rufe und Befehle auf dem fremden Schiff verstummten allmählich. Folke erhob sich und klopfte den Sand von seinem Wams. »Sei jetzt still«, flüsterte er. »Sie kommen zurück an den Strand.«
    Aber Aud war nicht mehr hysterisch; sie sprang auf, zupfte Folke am Wams und hieß ihn folgen. Sie führte ihn einen Pfad entlang, der zwischen Heckenrosen hindurchführte, wie er schmerzhaft feststellte, als er sich einen Ast von der Schulter streifen wollte. Und da er keinen einzigen Stern schimmern sehen konnte, wußte er, daß über ihnen die Ranken ein Dach bildeten und sie sich in einer Höhle aus Heckenrosen befanden. Unter seinen Schuhen knirschte leise der Muschelsand, während er sich hinter Aud hertastete. Währenddessen begann sich in seinem Kopf eine Idee zu formen.
    Als sie wieder ins Freie traten, legte er die Hand auf ihren Arm und zwang sie stehenzubleiben. »Weißt du, was mit dem Schiff ist?« flüsterte er. »Wo es beschädigt ist?« Aud schüttelte sofort den Kopf. »Aber es soll etwas sein, das einen erfahrenen Bootsbauer braucht.«
    »Aud«, beschwor Folke sie eindringlich, »versuch dich zu erinnern. Vielleicht kann ich euer Boot fahrbereit machen!« Jäh merkte Aud, worauf er hinauswollte. »Erinnern hilft nicht, wenn das Verständnis nie da war«, bekannte sie. »Ich werde dich zu jemandem führen, der es dir sagen könnte. Obwohl ich nicht weiß, ob er...«
    Sie biß sich auf die Lippen. Folke zögerte. Er wußte nicht, ob es gut war, sich einem der Dorfbewohner zu zeigen. Aber schließlich, was konnte es schon schaden? Wenn er sie überzeugen konnte, daß er ihnen helfen würde, würden sie ihn schon nicht totzuschlagen versuchen. Sicher würde auch jemand bezeugen, daß er sich beim Niederbrennen des Gehöftes nicht beteiligt hatte. »Gut, bring mich hin«, stimmte er zu.
    Aud stieß einen fast verzweifelten Seufzer aus und neigte den Kopf.
    Unter Aslaks mißbilligenden Blicken hatte Alf sich auch auf dem Schiff hervorgetan, und Hjalti hinderte ihn nicht. Ihm war es nur recht, wenn die jungen Männer sich auf ihrer ersten Fahrt auszeichneten. In seinen Augen wurde Hrolf allmählich müde, und Aslak war randvoll mit unnötigen Gedanken und dabei tatenlos. Er selber

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