Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
unkommentiert zu lassen. Die beiden mussten das unter
sich ausmachen.
Miri
holte die schwere Tüte rein und ließ sie mitten im Wohnzimmer stehen. Rasch zog
sie sich ihre bequemen Yogahosen und ein altes Herrenhemd sowie warme
Hausschuhe an. Immer wenn sie lange im Sitzen arbeitete, bekam sie kalte Füße.
Anschließend bereitete sie die alte hölzerne Transportkiste , die ihr als
Wohnzimmertisch diente, auf die geplante Bastelarbeit vor. Zügig räumte sie
alle Dinge weg, so dass sie eine gewachste Tischdecke darüber ausbreiten
konnte. Dank der Tatsache, dass diese groß genug für einen Esstisch war, deckte
sie gleichzeitig ein ganzes Stück vom Boden rund herum mit ab. So waren die
verschiedenen Flickenteppiche, die den schäbigen, alten Novilonboden
verschönerten und versteckten, vor herunterfallenden Knetmasseteilchen
geschützt. Vom Fensterbrett schnappte sie sich das Glas, das als
Aufbewahrungsort für verschiedenste Bastelinstrumente diente. Von Spachteln in
den verschiedensten Größen über hölzerne Grillspießchen bis zu einem
Teppichmesser war alles vertreten. Bevor sie sich an die Arbeit machte, holte
sie sich noch ein großes Glas Leitungswasser aus der Küche und nahm
gleichzeitig eine Tube Alleskleber mit. So. Jetzt war sie startbereit. Sie ließ
sich im Schneidersitz neben ihrem Tischchen nieder und zog die Tüte näher an
sich heran. Hm, mit welchem Drachen sollte sie anfangen? Ihr Blick fiel auf
Maxi, die immer noch in ihre Lektüre vertieft schien. Perfekt. Ein lebendiges
Modell.
„Will
ich ja auch hoffen, dass du mit mir anfängst“, lies sich Maxis Stimme in ihrem
Kopf vernehmen. „Wäre ja noch schöner, wenn du einen wildfremden Drachen
porträtieren würdest.“
„Na
ja, Lance ist nicht gerade wildfremd. Immerhin habe ich im vergangenen Jahr
deutlich mehr Zeit mit ihm verbracht als mit dir.“
Miri
grinste amüsiert in sich hinein, während sie mit Hilfe eines dünnen Drahts Stücke
aus den violetten, lila- und pinkfarbenen Plastilin-Blöcken schnitt, welche sie
vorher von ihrer Zellophan-Hülle befreit hatte. Sie hatte vergessen wie amüsant
es war, seinen Drachen zu ärgern. Bei Lance hatte sie sich das nie so richtig
getraut. Einerseits wegen Lance, mit fremden Drachen wusste man nie so genau,
woran man war. Andererseits wollte sie auch Kaja nicht aus Versehen auf die
Füße treten. Wobei, die war da ziemlich locker drauf und nahm nicht alles
gleich persönlich, was Miri extrem entspannend fand.
„Papperlapapp.
Mich kennst du schon viel länger. Zehn Jahre um genau zu sein“, plusterte sich
ihr eigener Drache auf.
Miri
warf einen prüfenden Blick auf Maxi.
„Perfekt.
Kannst du so bleiben? Das wäre nett.“ Miri bedeutete ihr, die Hände wieder in
die Seiten zu stemmen und sich ein wenig nach vorn zu lehnen.
„Wie,
so? Das ist jetzt aber nicht dein Ernst! Weißt du, wie unbequem das ist?!“
„Ruhe.
Modelle haben kein Mitspracherecht bei der gewünschten Pose.“ Sie knetete die
drei verschiedenfarbigen Plastilin-Kugeln zusammen. „Glaube ich zumindest“,
fügte sie etwas leiser hinzu. Normalerweise hatte sie ja keine Modelle und
musste sich ausschließlich auf ihre Phantasie verlassen. Einhörner waren sehr
schwierig aufzutreiben und Trolle notorisch unzuverlässig. Miri kicherte in
sich hinein.
„Was
ist denn so lustig?“, wollte Maxi wissen.
„Ach
nichts. Ich habe nur gerade über die Unzuverlässigkeit von Trollen
nachgedacht.“
„Da
muss ich dir ausnahmsweise beipflichten“, erwiderte die Drachin.
Verdutzt
blickte Miri von ihrem schön marmorierten Bastelmaterial auf. „Du willst damit
sagen, die gibt es wirklich?“
„Aber
hallo? Mich gibt es schließlich auch wirklich, schon vergessen?“
„Nein,
natürlich nicht. Aber das ist doch was anderes.“
„Was
anderes? Wie kommst du denn darauf?“
„Na,
was anderes halt“, druckste Miri herum. „Lass mich jetzt lieber arbeiten, wenn
du heute noch bequem sitzen möchtest.“
Maxi
schüttelte den Kopf über diesen unlogischen Gedankengang, befolgte aber Miris
Anweisung und hielt den Mund. Für den Moment zumindest.
Miri
arbeitete mit dem marmorierten Knetgemisch kontinuierlich an der Grundform des
Drachens. Im Gegensatz dazu, was sie Maxi gesagt hatte, formte sie den
entstehenden Drachen bequem sitzend, mit einer Zeitschrift in der Hand. Sie warf
nur ab und zu einen Blick auf das große Untier, um sich bezüglich der Details
zu vergewissern. Das war vielleicht ein bisschen gemein. Aber Maxi
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