Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
würde ein
wenig unbequemes Sitzen nicht umbringen und Miri war der Ansicht, dass die
jahrelange Abwesenheit ihrer außergewöhnlichen Begleiterin durchaus geahndet
werden musste. Ganz so einfach darüber hinwegsehen konnte und wollte Miri
einfach nicht. Maxi konnte sich noch lange auf Regeln berufen. Aber das kleine
Mädchen von damals erinnerte sich nur, dass ihre beste Freundin plötzlich weg
war. Einfach verschwunden. Wie ihre Eltern. Sie stoppte sich gerade noch, bevor
sie weiter in alte, schmerzhafte Erinnerungen eintauchen konnte, und versuchte,
ganz in ihrer Arbeit zu versinken.
Aber
leider wussten ihre Hände auch ohne großartige Mitarbeit ihres Hirns, was sie
zu tun hatten. So konnte sie nicht verhindern, dass sich ihre Gedanken
dringenderen Problemen zuwandten. Schwanger. Sobald sie an das Wort und die
damit einhergehenden Implikationen auch nur dachte, litt sie unter akutem
Herzrasen und Ohrenrauschen. Vorsichtig formte sie die großen Pranken, erst die
Hinterbeine, dann die etwas kürzeren Arme. Gut, beschloss sie. Nachdem sich die
Gedanken im Moment jetzt offenbar nicht verbannen lassen wollten, konnte sie sich
auch versuchsweise konstruktiv damit auseinandersetzen. Sie formte mit einem
feinen Spachtel die Augenbrauen und die Augen und begann im Anschluss daran mit
den beeindruckenden Zähnen im Drachenmaul.
Punkt
1: Das Kind. Behalten oder wegmachen? So. Jetzt war es raus, worum sie
gedanklich schon den ganzen Tag so einen Bogen gemacht hatte. Wovor hatte sie
sich so gefürchtet? Beide Optionen versetzten sie in akute Panik. Das Kind
bekommen: Und dann? Sie sah sich überhaupt nicht als geeignetes Muttermaterial.
Sie hatte auch noch nie so genau darüber nachgedacht. Um Himmelswillen, sie war
erst dreiundzwanzig.
„Wie
kommt es denn, dass ihr nicht verhütet habt? Lernt ihr das nicht in der Schule?
Hast du gedacht, der Storch bringt die Kinder oder was?“ Maxi konnte sich nicht
zurückhalten.
Miri
zuckte zusammen und lief purpurrot an. Dieses verflixte Gedankenmitlesen. Ups.
Jetzt hätte sie beinahe dem Plastilin-Drachen die Schnauze zerdrückt. Würde ihm
rechtgeschehen, dachte sie grimmig.
„Nicht
dass es dich etwas anginge. Tut es nämlich nicht. Aber ehrlich, normalerweise
bin ich da äußerst vorsichtig, denn es gibt ja nicht nur die Möglichkeit einer
ungewollten Schwangerschaft, sondern auch diverse Krankheiten. Ich kann mir
nicht erklären, was ich mir in jener Nacht gedacht habe.“ Gestresst fuhr sich
Miri mit den Plastilin-verklebten Händen durch die kurzen Haare.
„Nicht
viel, wie es scheint“, konnte sich Maxi nicht verkneifen.
„Sag
mal, sehr unterstützend bist du nicht gerade!“ Irritiert schaute Miri ihren
Drachen an. „Ein wenig mehr Verständnis hätte ich mir schon erhofft, muss ich
zugeben. Jetzt, wo du endlich wieder da bist.“
„Hmpf!“
Hochmütig reckte die Drachin ihr Kinn in die Höhe und schien insgesamt an Größe
zu gewinnen.
„Das
ist alles was du zu sagen hast? Ein paar weise Drachenworte hätte ich schon
erwartet!“ Miri wusste, dass sie Maxi provozierte, aber es war ihr egal. Sie
war so wütend auf sie in dem Moment.
Maxi
seufzte, eine grauviolette Rauchfahne entwich ihren großen Nüstern und sie
stützte den Kopf in die Hände, während sie wieder kleiner zu werden schien. „Du
hast ja recht.“
„Wie
bitte?“
„Ja,
ist schon gut. Wie gesagt, es stimmt. Ich mache mir nur Vorwürfe, dass ich
nicht da war, um auf dich aufzupassen. Und das lasse ich jetzt an dir aus. Was
nicht konstruktiv ist. Also, was ist unser Plan?“
„Moment
mal, jetzt mal langsam. Erst stauchst du mich zusammen und im nächsten Atemzug
fragst du mich nach unserem Plan?“
„Ja“,
antwortete Maxi, um dann verwundert nachzufragen, „auch nicht in Ordnung?“
Frustriert
und wütend rutschte Miri der Spachtel aus. Jetzt fehlte dem Drachen in ihrer
Hand ein Ohr. Na großartig! Einfach toll! Sie hob das Ohr mit Hilfe einer
Pinzette vom Boden auf und machte sich daran, es wieder am Drachenkopf zu
befestigen, bemüht, es dabei nicht aus der Form zu bringen.
„Spuck
es schon aus, dir quillt ja schon Rauch aus den Ohren.“
Miri,
die einsah, dass sie momentan wohl nicht in der richtigen Verfassung war, so
filigrane Dinge wie Drachenohren zu handhaben, legte ihr Kunstwerk zur Seite.
„Wie
ich heute Mittag schon gesagt habe: Du kannst nicht einfach in mein Leben
platzen und da anknüpfen, wie unser Verhältnis vor all diesen Jahren war. Ich
habe mein Leben gelebt,
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