Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
mit allen Hoch und Tiefs. Mit Erfolgen und Fehlern.
Allein. Zugegebenermaßen hätte ich gerne, dass die Hochs und die Erfolge
zukünftig eine größere Rolle spielen als bisher. Aber Fehler und Misserfolge
gehören nun mal zum Leben. Und momentan bin ich mir noch nicht mal sicher, in
welche Kategorie die neuesten Entwicklungen gehören. Um das herauszufinden,
brauche ich Raum. Gedanklich. Emotional.“
„Wow.“
Maxi war erneut sehr beeindruckt von ihrem Schützling. Was hieß hier
Schützling. Im Moment fühlte sie sich seltsam fehl am Platz in der Rolle der
Beschützerin. „Also willst du, dass ich gehe?“, fragte die Drachin kleinlaut.
Miri
dachte nach. Nach einigen Sekunden sagte sie: „Nein, ich will nicht, dass du
gehst. Du bist ja gerade erst wiedergekommen. Ich freue mich auch darüber. Nur
– bedränge mich nicht. Lass mir etwas Zeit, mit allem klarzukommen. Frag mich,
wie es mir geht statt mir ständig vorzuhalten, was ich tun und lassen soll.“
„Ich
kann aber nicht versprechen, mich nicht einzumischen.“
Das
entlockte Miri ein Lächeln. Sie hatte sich wieder etwas beruhigt. Scheinbar
half es tatsächlich, wenn man sich behauptete und die eigene Meinung vertrat.
„Das habe ich auch nicht erwartet. Aber ein sehr kluger Drache hat mir mal
gesagt, es würde sich lohnen, erst zu denken und dann zu reden. Aber vielleicht
gilt das nicht für Drachen“, fügte sie mit einem Augenzwinkern hinzu. „Ich
mache mir jetzt erst mal was zu essen. Hilf mir mal, ich erinnere mich nicht
mehr, brauchst du auch was?“
„Du
hast nicht zufällig... hm, etwas Hochprozentiges da?“
Miri
rollte mit den Augen. „Kein Wunder, dass ich mich nicht erinnere. Darum hast du
mich früher bestimmt nicht gebeten. Was ist das bloß mit euch Drachen und
Schnaps…“
Sie
holte aus der Küche ein kleines Glas und eine Flasche Grappa, die noch zur
Hälfte voll war. „Cheers, auf dich, Maxi.“
„Ja,
zum Wohl, aber auf uns!“
Mit
einem Teller HP-Bohnen mit Tomatensauce, verfeinert mit Ketchup und
Cayennepfeffer und ergänzt mit einem Spiegelei, setzte sie sich auf ihr
durchgesessenes Sofa. Während sie aß, nahm sie den Faden ihrer Gedanken wieder
auf. Ihr Kinderwunsch war bisher gleich Null gewesen. Ahnung von Kindern:
ebenfalls gleich null. Dieses Essen zum Beispiel: galt das als vollwertige
Nahrung? Sie starrte auf ihren Teller. Bohnen gleich Proteine, etwas Stärke.
Spiegelei gleich Proteine. Tomatensauce konnte man doch sicherlich als
Gemüseportion rechnen. Wenn sie es mit einem Zwieback ergänzte, wäre auch für
die Kohlenhydrate gesorgt. Na also. Vielleicht doch nicht so hoffnungslos. Sie
musste kichern. Maxi warf ihr über den Rand ihres Schnapsglases einen besorgt
wirkenden Blick zu.
„Was
ist denn?“
„Nichts,
nichts.“
„Nur,
dass das Kichern einen Touch Hysterie an sich hatte…“
Miri
ignorierte den Kommentar und aß weiter. Leergeputzt stellte sie den Teller auf
den inzwischen komplett überladenen Wohnzimmertisch und trank einen großen
Schluck Wasser. Jetzt wieder ernst kehrte sie zu ihren Überlegungen zurück. Die
andere Option war eine Abtreibung, wie sie vorher bereits festgestellt hatte.
Sie war eine überzeugte Befürworterin der freien Entscheidungswahl der Frauen.
Jede Frau sollte das Recht haben zu entscheiden, ob sie ein Kind austragen
wollte oder nicht. Und zwar ohne dabei Angst vor juristischen Folgen haben zu
müssen. Glücklicherweise hatte eine Frau in der Schweiz diese Möglichkeit. Doch
Miri merkte, dass das gar nichts darüber aussagte, ob diese Entscheidung für
sie richtig wäre. Nachdenklich legte sie versuchsweise eine Hand auf ihren
Bauch. Der natürlich im Moment flach und unauffällig wie immer war. Naja, so
flach ihr Bauch eben war. Sie zog eine Grimasse und ihre Hand hastig wieder
weg. Mit einer Abtreibung hätte sie auf der Stelle ein Problem weniger. Und,
wie eine kleine Stimme in ihrem Hinterkopf anmerkte, auch einen Drachen
weniger. Resolut brachte sie diese Stimme zum Verstummen. Das durfte keinen
Einfluss auf ihre Entscheidung haben. Dazu war das Ganze zu wichtig. Hier ging
es um lebenslange Verantwortung. Ihr Herz hämmerte. Ging das jeder Frau so,
wenn sie herausfand, dass sie schwanger war?
„Wenn
ich etwas anmerken darf…“
„Als
wenn du dich abhalten lassen würdest“, meinte Miri lakonisch und stand auf, um
ihr Geschirr wegzuräumen.
„…lass
dir die Zeit, die du dir mir gegenüber so vehement erbeten hast und versuche
nicht, heute Abend alle
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