Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
späten
Nachmittag.“
„Wie
jetzt, du meinst die große Eiche am Aussichtspunkt zehn Minuten von hier?“
„Genau.
Früher gehörte das ganze Land von hier bis dort zu diesem Bauernhof.“
Erwartungsvoll
lehnte sich Miri nach vorn. Sie zog die Knie an und legte die Arme darum. „Wie
ging es weiter?“
„Gar
nicht. Sie ist nicht gekommen.“
„Du
meinst, sie hat dich versetzt?“, fragte Maxi ungläubig.
Miri
funkelte sie wütend an. Manchmal konnte sie so ein Trampel sein! Sie verspürte
das dringende Bedürfnis, der Drachin etwas an den Kopf zu werfen. Leider hatte
sie gerade nichts zur Hand. Der Geist war inzwischen fast nicht mehr zu sehen.
Nur seine durchscheinende Silhouette war zu erahnen. „Erzähl weiter“, bat sie.
„Sie
hatte mir alle Dinge, die sie mitnehmen wollte, schon am Abend zuvor gegeben.
Es war sowieso nicht viel. Zwei, drei Dinge zum Anziehen. Eine Kette, die sie
von ihrer Mutter bekommen hatte. Eine Haarlocke von ihrer Schwester. Ich wartete
in der Nähe des Treffpunkts mit unserem Gepäck in einem Versteck. Die Schatten
wurden immer länger. Als sie bei Einbruch der Dunkelheit noch nicht da war,
hielt ich es nicht mehr aus und machte mich auf die Suche nach ihr. Der
logische Anfangspunkt für meine Suche war selbstverständlich der Bauernhof.
Also machte ich mich auf den Weg dorthin.“
„Und?
Hast du sie gefunden?“
„Nein.
Dafür fand mich der Bauer. Er erwartete mich mit dem Gewehr in der Hand und
verpasste mir eine Kugel, mitten ins Herz.“
Geschockte
Stille breitete sich in dem Zimmer aus. „Ich verstehe“, sagte Miri irgendwann
leise. „Dadurch wurde dir jegliche Möglichkeit genommen, rauszufinden, was
passiert ist. Ob sie es sich anders überlegt hat. Oder ob sie selber einen
Unfall hatte.“
„Oder
auch Bekanntschaft mit einer von den Kugeln gemacht hat“, mischte sich Maxi
ein. Sie schien dem Geist gegenüber merklich milder gestimmt, als noch einige
Minuten zuvor. Anscheinend hatte die Geschichte auch die Drachin berührt.
„Das ist
der Grund, weshalb du hier auf dem Hof bist. Um abzuschließen und
herauszufinden, was geschehen ist an diesem Tag“, begriff Miri.
Maxi
runzelte die Stirn. „Schöne Geschichte. Aber es erklärt nicht, weshalb du dich
so elsternmäßig benimmst.“
Adrian
zuckte traurig mit den Achseln. „Ich nehme an, im Laufe der Jahre entwickelte
es sich immer mehr zu einer Art Zwang.“
Miri
musste trotz der traurigen Geschichte ein Kichern unterdrücken. Jetzt hatte sie
ihren ganz eigenen Hausgeist, noch dazu einen mit einer Zwangsstörung.
„Außerdem
suche ich noch immer.“
„Lottie?“
„Nein.
Lottie nicht mehr. Das habe ich schon vor langer Zeit aufgegeben. Ihre
Lebenszeit ist vor langer Zeit abgelaufen, wo immer sie gewesen sein mag. Ich
suche den Schatz.“ Seine Augen glitzerten beinahe manisch.
„Welchen
Schatz?“ Langsam kam Miri sich vor wie ein bekiffter Papagei, der es jedes
dritte gesprochene Wort wiederholte.
„Na, die
Dinge, die ich für unsere Reise geklaut hatte. Lotties persönliche Dinge waren
dabei.“ Sein Blick nahm einen entrückten Ausdruck an. „Noch einmal ihre Sachen
berühren. Mich erinnern, wie die Kette an ihrem Hals ausgesehen hat.“ Er wandte
sich abrupt Maxi zu. „Das solltest du doch verstehen. Drachen sind sehr eigen
mit ihren gehorteten Schätzen.“
„Hättest
du eben besser darauf aufpassen sollen.“
„Wann
denn genau? Kurz bevor die Kugel in mein Herz eindrang oder danach?“ Frustriert
fuhr er sich durch die nur noch schemenhaft wahrnehmbaren Haarsträhnen. „Als
Geist ist man die erste Zeit nach dem Tod komplett orientierungslos. Driftet
durch Zeit und Raum. Glaube mir, als ich hierher gefunden hatte, sah alles
anders aus.“
„Aber
die große Eiche steht doch noch“, stellte Miri perplex fest.
„Das
schon. Trotzdem ist es mir nie gelungen, mein Versteck zu finden.“ Die letzten
Worte waren kaum mehr zu hören. In der nächsten Sekunde war Adrian
verschwunden.
„Wo ist
er hin?“
„Ich bin mir nicht
sicher. Ich bin kein Experte, was Geister angeht. Ich vermute, er ist im
Prinzip immer noch hier. Einfach auf einem sehr niedrigen Energielevel. Ähnlich,
wie wenn eine Batterie aufgebraucht wird.“ Miri schaute sich in dem dunklen
Raum um, der nur durch eine von Maxis Lichtkugeln erhellt wurde. „Ich werde dir
helfen den Schatz zu finden. Versprochen“, flüsterte Miri ins Leere,
zuversichtlich, dass Adrian sie hören konnte. „Vielleicht kannst du
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