Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
verlieren
hatte, machte nun wirklich keinen Sinn. Jetzt wusste sie nicht, wie weiter.
Deshalb war es ihr nur recht, dass ihr Schützling sich einmischte. Vielleicht
hatte dieser eine brauchbare Idee, wie man mit diesem Taugenichts verfahren
sollte.
„Lass ihn
los.“
„Hä?“ Das
konnte doch nicht ihr ernst sein. Ungläubig starrte sie Miri an.
„Du hast
schon richtig gehört. Loslassen.“
Maxi gab
sich geschlagen und öffnete ihre Pranke. Begleitet von einem dumpfen Stöhnen
landete Adrian unelegant auf dem Boden. Hastig rappelte er sich hoch und begab
sich außer Reichweite der langen Drachenarme. Besser gesagt, er versteckte sich
hinter Miri. Drachen waren einfach zu groß für diese kleinen Räume. Ganz zu
schweigen von ihrer Fähigkeit, an einem Ort zu verschwinden und an einem
anderen unverhofft wieder aufzutauchen.
„Total
unfair“, bestätigte Miri ironisch. „Vor allem gegenüber Geistern, die all diese
Fähigkeiten nicht haben.“
„Haben
wir sehr wohl“, rutschte es Adrian heraus. Seine Zunge war wieder einmal
schneller gewesen als sein Gehirn.
„Ist auch
nicht anders zu erwarten, wenn das besagte Organ bereits seit mehreren hundert
Jahren tot war“, murmelte Maxi vor sich hin.
„Als wenn
du jünger wärst.“
„Jünger
vielleicht nicht, aber lebendiger.“
So
langsam aber sicher verlor Miri die Geduld mit den beiden. Sie war schon den
ganzen Tag auf den Beinen und müde. Am liebsten wäre sie jetzt schon in ihrem
Bett. Dann könnte sie nochmals Mathias’ Weihnachtsnotiz lesen und dann
friedlich einschlummern. Stattdessen saß sie jetzt hier mit diesen beiden
Streithähnen fest. Sie war sich sicher, ihr Drache hatte nur die besten
Absichten. Aber momentan war es ihr herzlich egal, was Adrian den ganzen Tag so
trieb. Selbst wenn er klaute wie ein Rabe. Neugierig, was dahinter steckte, war
sie schon.
„Einmal
ein Gauner, immer ein Gauner“, kommentierte ihre schuppige Freundin ihre
Gedanken.
Erstaunlicherweise
reagierte der Geist nicht auf die offensichtliche Provokation. Der Wille zum
Streiten schien ihn verlassen zu haben. Resigniert lehnte er hinter Miri an der
Wand. Sie wertete das als positives Zeichen. Ganz so egal wie er behauptete war
es ihm scheinbar doch nicht, was mit ihm passierte.
Sie
setzte sich zu Adrian hin. „Also, neuer Versuch: Was bezweckst du damit?“ Sie
deutete auf den Haufen mit dem Diebesgut. „Und du hältst dich raus“, sagte sie
an den Drachen gewandt.
Maxi
presste verstimmt die Lippen zusammen und lehnte sich mit verschränkten Armen
an die gegenüberliegende Wand. Dunkle Rauchschwaden stiegen aus ihren
Nasenlöchern und ringelten sich an die Decke. Naja, wahrscheinlich sollte sie
froh sein, dass sie den Geist nicht sofort geröstet hatte.
Adrian
wusste gar nicht, wie er anfangen sollte. Noch nie hatte ihn jemand gefragt,
weshalb er klaute. Nicht als er lebte und schon gar nicht, seit er sich in
diesem verfluchten Zustand befand. Dann gab er sich einen Ruck. „Ich weiß es
selber nicht so genau. Es ist eine Art innerer Drang. Damit du es verstehen
kannst, muss ich die Geschichte von Anfang an erzählen. Hast du Zeit? Sie ist
nämlich lang.“
Miri
nickte. Dann gab es halt noch eine Gute-Nacht-Geschichte, bevor sie ins Bett
kam.
„Der
Drache liegt richtig, wenn er sagt, ich sei durch und durch ein Gauner. Das stimmt
wohl. Ich sehe nichts Anrüchiges daran.“
Die
Drachin schnaubte. „Da bist du der Einzige, der das so sieht.“
Adrian
warf ihr einen finsteren Blick zu, ließ sich aber nicht zu einer Reaktion
verleiten. Er setzte seine Geschichte fort. „Es ist ein Beruf wie jeder andere
auch. Und ich habe immer Wert darauf gelegt, nur die hereinzulegen, die es sich
auch leisten können.“
„Kamst
du aus einer armen Familie?“
Adrian
lächelte schief. „Nein. Diese Ausrede habe ich nicht. Ich bin in Genua als der
Sohn einer mittelständischen Kaufmannsfamilie aufgewachsen. Ich absolvierte
eine gute Ausbildung, lernte Sprachen, erst Französisch, dann Deutsch,
ausserdem Buchhaltung. Schöne Dinge waren und sind meine Schwäche. Wenn ich
etwas sehe, muss ich es einfach haben. Ich habe auch kein Problem, sie
irgendwann weiterzugeben. Ich muss sie einfach eine Weile in meinem Besitz
haben.“
„Kann
mir nicht vorstellen, dass das bei deinem gutbürgerlichen Vater sehr gut
ankam.“
„Jetzt
lass ihn doch erzählen und misch dich nicht immer ein.“ Verärgert sah Miri zu
Maxi hinüber. Diese wedelte herablassend mit der Hand, um
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