Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
ziemlich vage. Mir ist nur klar, dass es noch einen anderen Ort
geben muss. Sonst wäre hier ja alles voll mit Geistern.“
Josephine
gluckste am anderen Ende der Leitung. „Grundsätzlich stimme ich dir zu. Sie
müssen einen Schritt weiter. Ob man es Himmel, Erlösung oder sonst wie nennt,
ist im Prinzip egal.“
„Wie
war das mit dem Fegefeuer für Gauner?“, flachste Miri.
„Ich
denke, da war er bereits, meinst du nicht?“
„Hm.
Stimmt. So kann man es auch sehen.“ Sie war augenblicklich ernüchtert. Kajas
Großmutter konnte sehr subtil sein, wenn sie wollte. Und erreichte ihr Ziel
immer damit. Miri hatte nur Bewunderung für die alte, aber sehr vitale Frau
übrig.
„Lass
mich ein paar Tage darüber nachdenken. Ich melde mich wieder bei dir. Ich rufe
einfach bei Kaja an.“
„Gut.
Danke.“
„Keine
Ursache.“ Klick. Sie hatte aufgehängt. Sie war froh, dass sie diesen Anruf
endlich getätigt hatte. Eine Sorge weniger, zumindest bis sie mehr
Informationen hatte. Jetzt konnte sie sich vorläufig um den Aufbau ihres
Geschäfts kümmern, ohne sich Sorgen um Adrian zu machen. Wenn Josephine
zurückrief, würde sie sich konkret damit befassen.
Ein
paar Tage später war es soweit. Alle drei Freundinnen waren im Wohnzimmer
versammelt. Es ging um die Anprobe der Kleider. Unter großem Gelächter hatten
sie ihre Kleider anprobiert, Miri hatte alle Hände voll zu tun gehabt. Sie
steckte ab, änderte einen Kragen, ließ einen Saum aus.
„Deine
langen Beine gehören verboten“, sagte sie zu Sierra in einem Anflug schlechter
Laune, als sie die provisorische Naht auftrennte.
Sierra
zuckte nur mit den Schultern. „Ich hätte dafür gerne deine Kurven.“
„Das
habe ich ihr auch schon versucht zu erklären“, warf Kaja amüsiert ein.
„Nachdem
ich euch davon nichts abgeben kann, nützt mir das nichts. Im Moment hätte ich
tatsächlich etwas übrig.“
In
den letzten Wochen hatten ihre Brüste deutlich an Umfang zugelegt. Auch an
ihrem Bauch zeigte sich inzwischen eine kleine, erstaunlich harte Wölbung.
Nicht dass sie sich das vorher je bewusst überlegt hatte. Sie war einfach davon
ausgegangen, sichtbarer Bauch gleich weich. Dem war nicht so. Inzwischen passte
sie tatsächlich sehr gut auf, nirgends dagegen zu stoßen. Sie ließ sich auf die
Fersen zurück sinken und begutachtete ihr Werk.
„So.
Jetzt kommt der wirklich lustige Teil. Ich ziehe mein Kleid an und ihr müsst es
nach meinen Anweisungen abstecken oder verändern.“
Sierra
bekam einen Lachanfall. „Du bist dir sicher, dass du das Endprodukt dann
ausgerechnet an einem Fotoshooting tragen möchtest.“
Miri
funkelte sie an. „Du wirst dir eben Mühe geben müssen. Stell dir einfach vor,
du passt einen Sattel oder ein Zaumzeug an.“
Sierra
konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Selbst Maxis Mundwinkel zuckten.
Miri
warf ihr einen strengen Blick zu. „Untersteh dich. Ich brauche die Frau
konzentriert.“
Kaja,
die zwar auch schmunzeln musste, eilte zu ihrer Rettung. „Lass mich das machen.
Ist vielleicht besser.“
Dankbar
nahm Miri das Angebot an und machte sich daran, sich auszuziehen. Da klingelte
das Telefon.
Kaja
ging ran, hielt aber gleich den Hörer in die Luft und rief: „Es ist für dich.
Mémé mit einem Geisterupdate.“
„Hallo
Josephine. Schön, dass du zurückrufst.“
„Ja,
es hat länger gedauert, als ich gedacht hatte.“ Wie es ihre Art war, kam sie
direkt auf den Kern der Sache zu sprechen. „Ich denke, dein Geist muss in
irgendeiner Form mit der Geschichte abschließen können. Wenn man nicht bereits
tot ist, besteht der erste Schritt auf dem schwierigen Weg der
Trauerbewältigung meist im Besuch der Abdankung. Nachdem das nun nicht mehr
möglich ist, wäre ein Besuch am Grab von Lotti vielleicht hilfreich.“
„Wie
soll das gehen? Lotti liegt auf einem Friedhof in Zürich. Keine Ahnung, ob es
den überhaupt noch gibt. Zudem: so wie ich das verstanden habe, ist er an
diesen Ort gebunden.“
„Ach
so. Das ist kein Problem. Da gibt es Mittel und Wege. Das erkläre ich dir
gleich. Falls er durch diesen Akt zur Ruhe kommt – und ich sage bewusst: falls,
denn jeder trauert in seinem Tempo – gibt es ein Ritual, welches du durchführen
könntest, um ihm den Weg in die Anderswelt zu erleichtern. Bleiben ist auch
eine Option. Gesetzt den Fall, er stört dich nicht.“
„Das
heißt, er kann es sich im Prinzip aussuchen, ob er bleiben will oder ob er
weiter zieht.“
„Genau.
Ansonsten wäre es eine
Weitere Kostenlose Bücher