Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
Unten richte ich meine Arbeitsecke ein, im größeren
Teil entsteht das Wohnzimmer. Tata...“
Sie
öffnete schwungvoll die Badezimmertür. Sägespäne, Kabel und die Löcher in den
Wänden waren verschwunden. Dunkelblaue und weiße Fliesen wechselten sich am
Boden ab. Die Wände waren in Weiß gehalten. Nur im oberen Drittel war ein Fries
eingefügt. Er bestand aus handbemalten Einzelstücken in einem wunderschönen
Blauton, der dem ganzen Raum ein mediterranes Flair verlieh.
Maxi
schaute sich gründlich um. „Dieser Mathias mag ein seltsames Sozialverhalten
haben. Seine Arbeit hingegen ist super.“
„Das
hat auch niemand angezweifelt“, antwortete Miri knapp. Sie hatte keine Lust,
seine Vorzüge zu diskutieren. Momentan wollte sie lieber dabei bleiben und ihn
für einen Idioten halten.
„Was
meinst du mit: du hast keine Zeit. Natürlich hast du Zeit. Wir haben diesen
Termin vor drei Wochen ausgemacht.“ Sierra hatte ihren Bruder am Apparat, der
ihr gerade erklärte, dass er zu dem Fotoshooting nicht mitkommen würde.
„Ist
doch keine große Sache. Ich habe es sogar schon mit Tim geklärt. Er meinte, es
sei kein Problem. Simon kommt mit und hilft euch.“
Sierra
schloss die Augen. Sie musste im letzten Leben wohl ziemlich unausstehlich
gewesen sein, dachte sie. Wie hieß es so schön auf Englisch? Karma is a bitch!
Gut. Vielleicht ein wenig übertrieben, der Ausspruch, alleine auf dieses
Vorkommnis angewandt. Aber insgesamt auf ihr ganzes Leben? Es wäre zu schön gewesen,
wenn einmal, einmal, ein Plan von ihr funktioniert hätte. Sie seufzte. „Schade.
Ich hatte mich gefreut, dich zu sehen.“ Statt den ganzen Tag um Simon herum zu
verbringen, fügte sie im Stillen hinzu. Der war Gift für ihren Seelenfrieden.
Nicht dass es um ihren Seelenfrieden insgesamt gut bestellt gewesen wäre.
„Kein
Problem. Das holen wir nach“, tröstete Mathias sie. Nachdem sie aufgelegt
hatte, stand sie da und erwog für einen Augenblick, krank zu sein. Irgendeine
Instant-Erkrankung wie Magen-Darm-Probleme oder so. Verlockend, aber nein. Sie
hielt ihre Versprechen. Außerdem wäre es feige. Was sie nicht war. Sie straffte
die Schultern und ging hinaus, Pferde bewegen und den Hund bespaßen.
31.
Januar 2013
Am
nächsten Morgen ging es in aller Früh los. Es war noch dunkel draußen, als sie
sich alle miteinander in den VW-Bus einstiegen, den Kaja von einem Nachbarn für
das Wochenende geliehen hatte. Lance hatte bereits gestern Abend Maxi entführt.
Seiner Meinung nach war der Flügel wieder ganz gesund, so dass einem
gemeinsamen Ausflug nichts mehr im Wege stand.
„Insbesondere
wenn die Frauen nichts Besseres zu tun haben, als sich mit Kühen abzugeben“,
wie er mit leicht säuerlicher Miene anmerkte.
Offenbar
war er überzeugend gewesen. Maxi war seither nicht mehr aufgetaucht. Im
Kofferraum stapelten sich die Requisiten und Tims Fotoausrüstung. Die Hunde
lagen in den Zwischenräumen am Boden. Auf dem Weg in die Innerschweiz würden
sie Sierra abholen. Simon würde direkt kommen. Von Bern her machte das mehr
Sinn, als einen Riesenbogen über Schaffhausen zu machen.
Miri
hoffte inständig, dass sie die Fahrtzeit richtig berechnet hatte. Sie wollte
unbedingt den morgendlichen Nebel einfangen, die ersten Sonnenstrahlen. Der
Wetterbericht hatte perfekte Bedingungen vorhergesagt. Immerhin hatte sie
inzwischen herausgefunden, dass sie vorher nicht würde wandern müssen. Offenbar
war es keine Alp im eigentlichen Sinne, sondern einfach ein Hof oberhalb des
Sempachersees im Kanton Luzern.
Der
Bauer, ein Bekannter von Tim, hielt dort eine kleine Herde der wunderschönen
und sehr genügsamen Schottischen Hochlandrindern. Ursprünglich ein Milchbauer
hatte er vor einigen Jahren auf Mutterkuhhaltung umgestellt und sich auf die
Suche nach einer extensiven Rasse gemacht. Wie sich herausstellte, punkteten
die langhaarigen Schotten auf ganzer Linie. Die Rinder hatten das ganze Jahr
über freien Zugang zur Weide. Im Winter wurde hofeigenes Heu zugefüttert.
Kraftfutter bekamen die Tiere nicht. Im Alter von eineinhalb bis zweieinhalb
Jahren wurden die Rinder in einer Metzgerei in unmittelbarer Hofnähe
geschlachtet.
„So
sollten alle Tiere aufwachsen können. Wenn ich weiß, dass das, was auf meinem
Teller liegt, vorher ein friedliches und artgerechtes Leben draußen in der
Herde verbringen konnte, macht mich das froh.“
„Stimmt.
Und mein schlechtes Gewissen hält sich in Grenzen.“
„Lecker
ist es noch dazu“,
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