Das Drachenkind (Die Drachenschwestern Trilogie) (German Edition)
Entenfüttern
war toll. Reicht bestimmt um ein Kind groß zu ziehen. Sorry Kind, für neue Schuhe
reicht das Geld nicht, aber wenn du den Enten etwas von deiner Brotration
abgeben willst, gehen wir heute Nachmittag an den See.
„Was
ist jetzt, kriegen die Schwäne hier jetzt was zu futtern oder verarbeitest du
die Brötchen lieber in der Tüte zu Krümeln?“ Maxi nahm ihr die Tüte aus den
verkrampften Fingern und unterbrach so gottseidank die Gedankenlawine in ihrem
Kopf. Irgendwie hatte sie sich den Ausflug an den See entspannender
vorgestellt. Seufzend hielt sie ihre Hand auf. Wortlos übergab ihr die Drachin
einige mundgerechte Stückchen Brot. Sie konzentrierte sich auf die Schwäne, mit
ihren grauen halbwüchsigen Jungen. Schon wieder Nachwuchs. Heute gab es
anscheinend kein Entrinnen.
Intelligente
Augen verfolgten jede Bewegung des ungleichen Paares, bereit, sich sofort auf
die herunterfallenden Brotstückchen zu stürzen. In kameradschaftlichem
Schweigen verbrachten sie eine halbe Stunde damit, die schönen Tiere zu
beobachten und ab und zu wieder zu füttern. Erstaunlicherweise blieben die
kreischenden Möwen, die sonst gerne alles aus der Luft klauten, auf Abstand. Im
Gegensatz zu den Schwänen schienen sie dem Drachen nicht über den Weg zu
trauen. Dann war die Tüte leer. Maxi knüllte sie zusammen und stopfte sie in
den nächsten Abfalleimer, der nur wenige Meter entfernt war.
„Was
jetzt?“, wollte sie wissen.
„Ich
dachte mir, ich statte meiner Tante Greta einen Besuch ab. Vielleicht kann sie
mir ja erklären, was es mit Onkel Pauls Verhalten auf sich hat. Viel Hoffnung
mache ich mir allerdings nicht“, setzte sie niedergeschlagen hinzu. Maxi
bezweifelte ebenfalls, dass dieser Besuch erfolgreich verlaufen würde, sagte
aber nichts. Sie hakte sich bei Miri unter. So leer wie die Quartierstraßen
waren, bestand keine Gefahr, dass die Drachin jemanden umrannte. Auf jeden Fall
bliebe ihr genug Zeit, auszuweichen, sollte ihnen doch jemand entgegenkommen.
Auf
der Höhe einer Straßenbahnstation hielt Miri inne und meinte: „Lass uns die
Straßenbahn nehmen, die gleich kommt. Zu Fuß zieht sich der Weg ganz schön in
die Länge.“
„Aber
gerne.“
Sie
warteten, bis alle ausgestiegen waren. Miri ließ den wartenden Fahrgästen den
Vortritt beim Einsteigen und quetschte sich zuletzt hinein. Maxi, der es auch
in körperloser Energieform sehr unangenehm war, zwischen so vielen Leuten zu
stehen, hatte sich ganz klein gemacht. Jetzt saß sie, natürlich unsichtbar für
alle anderen, in Rattengröße auf Miris Schulter. Der lange Schwanz baumelte ihr
über den Rücken.
„Sag
mal“, fragte sie Miri gedanklich, „hast du eigentlich einen Fahrschein?“
Amüsiert
schielte sie zu dem kleinen Drachen auf ihrer Schulter. „Wieso, brauchst du
einen? Und weshalb flüsterst du, wenn ich dich sowieso nur in meinem Kopf
höre?“
Maxi
ignorierte die Sticheleien und schnaubte. „Für dich meine ich natürlich.“
„Keine
Sorge, es wird fast nie kontrolliert“, versicherte ihr Miri ernsthaft.
„Du
meinst, du fährst schwarz?“ Der entsetzte Tonfall, der jetzt keinesfalls mehr
als Flüstern bezeichnet werden konnte, entlockte Miri ein Lächeln.
„Beruhige
dich. Ich habe eine Monatsfahrkarte. Da ich oft in der Stadt unterwegs bin, ist
es mir zu mühsam, jedes Mal ans Kleingeld zu denken, um einen Fahrschein zu
lösen.“
„Puh.
Da fällt mir ein Stein vom Herzen.“
„Ich
wusste gar nicht, dass du so ein Paragraphenreiter bist“, wunderte sich Miri.
„Bin
ich eigentlich auch nicht. Aber immer dann, wenn die Chance groß ist, erwischt
zu werden. Das ist ja so was von peinlich!“
Miri
musste schmunzeln. „Irgendwann musst du mich einweihen, wobei du erwischt
worden bist, dass du ein solches Trauma mit dir herumträgst.“
Maxi
zuckte schuldbewusst zusammen, machte aber keinerlei Anstalten die Neugierde
ihres Schützlings zu befriedigen.
Nach
ein paar Stationen stiegen sie aus und legten den restlichen Weg bis zu einem
heruntergekommenen Reihenhäuschen zurück.
„Hier
wohnen meine Ersatzeltern“, bemerkte Miri überflüssigerweise. „Ich hoffe, Greta
ist zu Hause und wir sind nicht umsonst gekommen.“
„Ich
glaube, du hast Glück“, meinte Maxi und deutete auf den Vorhang, der sich im
Fenster bewegte. „Sie hat dich schon entdeckt.“
„Na
großartig. Wollen wir hoffen, sie macht überhaupt auf.“
Sie
stieg die drei Treppenstufen hoch, drückte kurz auf die Klingel und trat
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