Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
ihn immerzu ansehen. Du wirst ihn uns bei der nächsten Rast doch wieder zeigen?«
Rolana nickte und verstaute das Bündel in der Tasche ihres Umhangs, doch sie nahm sich vor, die Figur so wenig wie möglich ihren Blicken auszusetzen. Wer konnte schon sagen, was für Kräfte in ihr wohnten und wie diese sich auf ihre Freunde und Feinde auswirkten. Das Einzige, das jetzt noch zählte, war, die Figur zum Drachentor zwischen den Welten zu bringen, um sie dort zu vernichten.
*
»Was denkst du dir eigentlich?«, fuhr Astorin die Novizin an, die mit schmerzverzerrter Miene auf dem Boden kauerte. »Wie kannst du mir in den Weg laufen? Deiner Dummheit habe ich es zu verdanken, dass der Graf entkommen ist – mit meiner Figur!«
Tonya erhob sich stöhnend auf die Knie. Sie schielte über ihre Schulter und an ihrem Arm entlang. Der Feuerball hatte sie mehr in Mitleidenschaft gezogen, als sie im ersten Moment angenommen hatte. Die Wolle der Kutte war an der Seite ganz verbrannt, und auch ihre Haut sah schlecht aus. Am Unterarm hatte sie nur ein paar Brandblasen, doch an ihrer Schulter und am Oberarm war die Haut so versengt, dass sie sich schwarz verfärbt hatte und aufgeplatzt war. Tiefe Furchen zogen in sich kreuzenden Bahnen über ihren Arm und entblößten das Fleisch. So wie es sich anfühlte, konnten Hals und Wange kaum besser aussehen. Tonya blinzelte unter Tränen. Der Schmerz war so stark, dass sie nur in kurzen Stößen ein-und ausatmete. Astorin betrachtete sie ungerührt.
»Habt Ihr es nicht bemerkt? Ihr habt den Grafen mit Eurem Feuerball ebenfalls gestreift.«
Astorin nickte selbstgefällig. »Ja, ich habe ihn überrascht und war schneller, als er dachte.«
Tonya schüttelte unter Schmerzen den Kopf. »Nein, ich muss Euch widersprechen. Er wäre schnell genug gewesen, Eurem Zauber zu entgehen, genauso wie er durch Euren Schwertstoß nicht hätte verletzt werden dürfen. Ich bin die Wurzel seines Übels! Je näher ich ihm komme, desto langsamer werden seine Reaktionen.«
»Unsinn«, rief Astorin, doch dann legte sich seine Stirn in Falten. »Nun, vielleicht ist dieser Gedanke nicht ganz abwegig. Das könnte ein Teil deiner Kräfte sein.« Ein Lächeln teilte seine dünnen Lippen. »Ein nützlicher Teil! Sieh zu, dass du das nächste Mal noch näher an ihn herankommst. Dann gibt es für ihn kein Entrinnen mehr!«
Dass es dann vermutlich auch für Tonya kein Entrinnen mehr geben würde, schien den Magier nicht zu stören.
»Und nun komm. Lass uns keine Zeit verlieren. Suchen wir den Herrn der Burg!« Er ging mit langen Schritten auf den Bogen zu, unter dem Wolf und Vampir verschwunden waren. Ehe er ihn erreichte, hielt er inne und wandte sich nach der jungen Frau um, die sich mühsam auf die Füße stemmte. Astorin riss seinen Umhang auf und zog ein weiteres seiner Heilfläschchen hervor. Er streckte es Tonya entgegen.
»Da, nimm. In diesem Zustand hältst du mich nur auf.
Aber pass das nächste Mal besser auf. Ehe ich den Drachen nicht in Händen halte, kann ich nicht auf dich verzichten. Mutter Morad hat mir versichert, du seist deiner Aufgabe gewachsen, also zeige mir, dass sie sich nicht getäuscht hat!«
Tonya nahm den Heiltrank und presste ein »Danke« zwischen den Zähnen hervor. Sie leerte das Fläschchen, gab es ihm zurück und bemühte sich, seine Fingerspitzen dabei nicht zu berühren. Am liebsten hätte sie dem Magier seinen eigenen Feuerball ins Gesicht geschleudert, doch so etwas gehörte nicht zu ihren Fähigkeiten. Sie hasste ihn und seine Herzenskälte inzwischen so leidenschaftlich, dass sie zu überlegen begann, ob sie nicht dem Vampir helfen sollte, die Figur vor dem Zugriff des Magiers zu schützen. Doch das würde gegen die Anweisung von Mutter Morad verstoßen, und ihr hatte sie bedingungslosen Gehorsam geschworen. Würde ihr Dämon sich gegen sie wenden, wenn sie dem Orden die Treue verweigerte? Unwillkürlich griff sie mit der unversehrten Hand an das Amulett um ihren Hals. Vielleicht. Solch ein Abkommen zwischen dem Orden und den dunklen Mächten war durchaus möglich.
Tonya beobachtete, wie sich die Brandwunden auf ihrem Arm schlossen. Die Blasen glätteten sich, der Schmerz schwand. Bald waren nur noch ein paar rosige Linien zu sehen – und die Reste des verbrannten Ärmels.
»Können wir gehen?«, drängte Astorin voller Ungeduld.
»Aber ja, Meister«, antwortete Tonya, ging an ihm vorbei und dann den Gang entlang, durch den der Vampir verschwunden war.
Sie musste sich
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