Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
silberner Klinge aus seinem Gürtel und stürzte sich auf den Vampir. Zweimal traf er ihn in den Rücken. Der Graf schrie auf, als das Silber in seinen Leib fuhr. Vergeblich versuchte er, sich von Tonya zu befreien.
»Ihr werdet den Drachen nicht bekommen«, keuchte er und nestelte mit fahrigen Bewegungen an seinem Wams. Astorins Augen leuchteten, als er einen Blick auf die Figur erhaschte, doch ehe er nach ihr greifen konnte, drängte sich der Wolf zwischen ihn und den Grafen und schnappte sich die Figur. Astorin heulte auf und schleuderte den Dolch nach dem Wolf, verfehlte ihn aber. Das Tier sprang zum Portal, drückte es einen Spalt weit auf und schlüpfte hindurch.
Ein lautes Knacken ließ sie alle nach oben sehen. Steine und Staub rieselten auf sie herab. Ein Teil der Decke begann sich zu neigen.
»Bleib hier und halte ihn fest!«, befahl der Magier, rappelte sich auf und rannte dem Wolf nach. Tonya hörte einen Pfiff und dann raschen Hufschlag im Hof und auf der Zugbrücke.
Die Tür des Portals hatte sich noch nicht wieder geschlossen, als die Decke herunterbrach. Zuerst prasselten die Balken im Speisezimmer und über der Freitreppe herab.
»Lass meinen Arm los!«, beschwor sie der Vampir und sah sie aus glühenden Augen an. »Willst du etwa hier sterben? Für den Wahn dieses Mannes?« Anklagend wies seine freie Hand auf die Tür, durch die Astorin verschwunden war. Er zog sie noch ein Stück auf den Torbogen zu, unter dem der Treppengang in den Schutz seiner Unterwelt führte. Tonya zögerte, ihre Kraft erlahmte. »Komm mit mir, ich kann uns beide retten!«
Der Blick seiner roten Augen war beschwörend, und ein Teil von ihr wollte ihm glauben. Konnte sie das Schicksal besiegen und der Prophezeiung von Mutter Morad entgehen? Wie verlockend seine Stimme klang! Ihre Finger zuckten, doch es war zu spät. Krachend fiel der vordere Deckenteil der Halle in sich zusammen und begrub Tonya und den Grafen unter Mörtel und glühenden Balken. Sie spürte einen Schlag auf den Kopf. Dann schwanden ihr die Sinne.
18
Die Seeschlange
Zehn Tage waren verstrichen, doch von dem Schiff, das Pierre angekündigt hatte, war noch immer nichts zu sehen. Saranga kam wieder einmal unverrichteter Dinge vom Hafen zurück. Pierre stand in der Tür und sah sie erwartungsvoll an.
»Nichts!«, sagte sie nur. Die Miene des stummen Dieners war so verzweifelt, dass es schon fast wieder komisch wirkte. Er konnte es nicht fassen. Immer wieder schlug er die Hände zusammen und schüttelte den Kopf.
»Ist deine Quelle zuverlässig?«, fragte sie Pierre zum wiederholten Mal.
Der Stumme nickte heftig mit dem Kopf, als könnte er das »Ja« dadurch noch verstärken.
»Dann wird das Schiff schon noch kommen.« Saranga versuchte, ihre eigene Ungeduld zu unterdrücken. Ein Sturm, eine Flaute – es gibt viele Möglichkeiten, warum das Schiff ein paar Tage aufgehalten wurde, Pierre schniefte und nickte halbherzig. Vielleicht dachte er dasselbe.
Warum kam dann keines der anderen Schiffe zu spät? Warum war im Hafen keine Nachricht von Stürmen oder anderen Widrigkeiten eingetroffen? Wenn eine höhere Macht im Spiel war, dann hatte sie sich anscheinend nur die Seeschlange gegriffen. Oder der Kapitän war doch nicht so zuverlässig, wie der Diener immer wieder versicherte. Vielleicht hatte er es sich anders überlegt und eine andere Fracht übernommen, die wertvoller war, oder eine andere Route gewählt, auf der schneller und leichter Gold zu verdienen war? Oder war die Seeschlange etwa aufgebracht worden? Sie gehörte nicht zu Astorins Flotte und war auch sonst keines der bekannten Seeräuberschiffe.
Es blieb alles nur Spekulation, solange sie keine Nachricht über den Verbleib der Seeschlange erhielten.
Saranga tätschelte abwesend die Schulter des stummen Dieners. »Sie wird schon noch einlaufen. Ich werde heute Abend noch einmal zum Hafen gehen. Aber nun komm rein und sieh zu, dass du deine Pflichten ordentlich erledigst. Du kannst auch meinen Teller in Vertos' Gemach hochbringen. Wir essen gemeinsam.«
Pierre nickte, verbeugte sich knapp und eilte davon. Saranga fühlte sich nicht so unbeschwert, wie ihre Miene und ihre Bewegungen es vermuten ließen. Sie eilte die Treppe hoch und platzte in das Gemach des Magiers, ohne vorher anzuklopfen.
»Deine Manieren werden immer erbärmlicher«, raunzte er sie an. Vertos saß an einem Sekretär und las. Ohne eine Aufforderung abzuwarten, warf sich Saranga in den bequemsten Sessel und legte ihre
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