Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
folgten ihm. Der Kapitän warf Seradir zwar einen ablehnenden Blick zu, als er hinter ihnen in die Kajüte trat und die Tür schloss, sagte aber nichts.
»Ich möchte zuerst Calphos im Süden anlaufen, ehe wir Kurs auf Xanomee nehmen«, sagte er, als sie sich gesetzt hatten. »Das hat mehrere Gründe. Zum einen habe ich Kreditbriefe hier in meiner Truhe, die ich einem Händler dort übergeben muss – schon vor zwei Wochen hätte übergeben müssen!« Er seufzte. »Die Seeschlange galt bisher als das zuverlässigste und pünktlichste Schiff auf der Route zu den Nordinseln. Wenn wir jetzt erst nach Xanomee fahren, dann brauche ich mich in den großen Häfen nicht mehr blicken zu lassen.«
»Was geht das uns an?«, murrte der Elb. Lamina warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
Tom ignorierte Seradir und fuhr fort: »Ein anderer Grund ist, dass ich nicht weiß, wie es auf der Insel um frisches Wasser bestellt ist, und meine Tanks gerne noch einmal gefüllt hätte, bevor wir uns ins Unbekannte wagen. Außerdem müssten wir von unserer jetzigen Position aus ein Seegebiet queren, das mir völlig unbekannt ist. Ich weiß nicht, welche Winde und Strömungen herrschen und ob sich dort häufig Stürme zusammenbrauen. Wenn wir erst nach Süden und dann an der Küste entlang nach Osten segeln, bleiben wir in bekannten Seegebieten und können zur Not innerhalb kurzer Zeit Land ansteuern. Ich glaube nicht, dass wir dadurch mehr als ein paar Tage verlieren.«
Lamina nickte ihm zu. »Deine Überlegungen sind gut, und ich denke, wir können uns deiner Führung überlassen. Du hast Erfahrung mit der See. Dennoch wäre es mir lieb, wenn du mich in Zukunft an deinen Entscheidungen teilhaben ließest.«
Tom senkte den Kopf. »Wie Ihr wünscht, Gräfin«, sagte er gepresst.
Lamina schnaufte ärgerlich. »Ihr Männer! Nun fühlst du dich in deiner Ehre gekränkt oder in deiner Position als Kapitän angegriffen. Und dazu kommt noch diese Eifersucht zwischen euch beiden, die euch wie Kampfhähne die Federn stellen lässt, sobald ihr den anderen nur in eurer Nähe ahnt. Sie ist unnötig und gefährlich! Ich liebe dich, Seradir, und werde immer zu dir stehen. Und ich schätze dich, Tom – als Freund und Verbündeten. Außerdem bin ich dir dankbar für alles, was du für mich getan hast, um mir meine Gefangenschaft in der Unterwasserstadt zu erleichtern. Und doch erfüllt euer Verhalten mich mit Zorn! Seht ihr denn nicht, dass unsere Aufgabe wichtiger ist als eure Rivalität? Wenn wir jetzt versagen, dann wird es vielleicht keine Welt mehr geben, in der wir frei sind zu entscheiden und uns zu behaupten. Dann werden wir zu Sklaven eines machthungrigen Magiers und seines Wahns und vermutlich bald von seinen Armeen vernichtet.« Sie atmete tief durch. »So, und nun hoffe ich, dass wir endlich in Freundschaft zusammenarbeiten können – für diese Welt, die es verdient hat, in Freiheit weiterzuleben!«
Sie sah die beiden Männer noch einmal ernst an, wandte sich dann ab und stapfte davon. Tom und Seradir blickten ihr nach, bis sie die Treppe hinauf verschwand. Dann erst sahen sie einander an und grinsten ein wenig zaghaft.
»Ein Teufelsweib«, sagte Tom und nickte anerkennend.
»Nun ja, ich hätte es ein wenig anders ausgedrückt«, widersprach Seradir, »aber ich denke, du meinst das Gleiche.« Sie stiegen gemeinsam an Deck.
»Was denkst du? Wann werden wir den Hafen Calphos erreichen?«
Tom ließ den Blick prüfend schweifen. »Wenn der Wind anhält und nicht weiter nach Süden dreht, sind wir in vier Tagen da.«
19
Rolana und Cay
Rolana schritt den Pfad zu den Klippen hinauf, die über der Hafenstadt Calphos aufragten. Die Sonne versank bereits hinter einem Wolkenband am Horizont, doch sie genoss den frischen Abendwind, der ihren Umhang blähte. Sie trug ihre Reithose und Stiefel, so dass es ihr keine Schwierigkeiten bereitete, dem felsigen Weg zu folgen. Möwen ließen sich vom Wind über die Klippe tragen, kreisten ein paar Mal und stürzten sich dann wieder in die weiß aufschäumende Flut. Rolana trat auf eine Felsplatte hinaus und sah nach Westen in die Bucht, in deren Wasser sich der rötliche Himmel spiegelte. Sie fühlte sich glücklich und frei, ihrem Gott so nah, und doch auch traurig und voller Verzweiflung. Sie konnte den Weg der Zukunft vor sich nicht erkennen. Er verlor sich in düsterem Nebel. Und obwohl sie nichts sehen konnte, wusste sie, dass etwas Schreckliches dort auf sie wartete. Eine bohrende Angst wurde
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