Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
entfalten und zu wachsen. Und das aus Gründen, die er nicht verstand.
Noch ein anderer Gedanke ließ seine Wangen glühen. Er hatte mit der fremden Frau gesprochen – viel zu viel gesprochen. Von Dingen, über die nie ein Wort über seine Lippen hätte kommen dürfen. Das war eigentlich nicht seine Art, doch der Branntwein hatte ihm die Zunge gelöst und den Verstand benebelt. Er konnte sich nicht mehr an alles erinnern, aber dass er über Dinge geredet hatte, die er nicht vor Fremden hätte aussprechen dürfen, das wusste er noch.
Sollte er es Rolana sagen? Sie trug die Figur in ihren Umhang eingenäht ständig bei sich und hatte ein Recht darauf zu erfahren, dass er sie durch seine Dummheit in Gefahr gebracht hatte. Aber dann musste er auch von Saranga sprechen. Er fürchtete sich davor, wie sie ihn mit diesem durchdringenden Blick aus ihren schwarzen Augen mustern und Stück für Stück die Wahrheit aus ihm herausholen würde.
Cay überlegte. Hatten die Männer auf der Gasse versucht, ihn umzubringen, weil er von der Figur gesprochen hatte? Oder waren es normale Straßenräuber gewesen? Worüber hatten sie gestritten, als Ibis und Thunin sie überraschten? Cay konnte sich nicht einmal daran erinnern, wie er in die Gasse gekommen war. Er musste wohl betrunken dorthingelaufen sein, nachdem er Saranga verlassen hatte.
Rolana war immer noch da, obwohl er sie nach wie vor ignorierte. Sie kam näher. Er spürte es mehr, als dass er es hörte, wandte sich ab und hoffte, sie würde den Wink verstehen und die Küche verlassen, doch stattdessen ging sie um den Tisch herum und stand nun vor Cay.
»Ich weiß, dass ich dich gekränkt und dir wehgetan habe und dass dich das heute Nacht fast das Leben gekostet hat.«
Nichts wusste sie. Gar nichts! Wehgetan? Welch harmlose Worte für die Zerstörung eines Herzens!
»Das tut mir sehr leid, und ich würde alles für einen Ausweg geben, der deine Liebe und Treue nicht mit Zurückweisung belohnt. Aber es gibt keinen.«
Endlich hob er den Blick. »Was willst du hier?«
Er sah, wie sie zusammenfuhr. Sie war sichtlich bemüht, Haltung zu bewahren und in ruhigem Tonfall zu antworten.
»Ich wollte wissen, wie weit du dich erholt hast, und dich fragen, ob du mit uns zum Hafen kommst. Wir wollen sehen, ob wir ein Schiff finden können, das sich für unsere Fahrt nach Osten eignet. Heute sind einige Segler eingetroffen, deren Kapitäne sicher in den Kneipen rund um den Hafen anzutreffen sind.«
Cay erhob sich schwerfällig. »Ich komme mit.«
»Du musst nicht. Ich wollte dir nur Bescheid geben. Wir müssen nicht alle mitgehen.«
»Ich habe gesagt, ich komme mit!«
Rolana klappte den Mund zu. Auf ihren Wangen brannten rote Flecken. Er unterdrückte das Gefühl von Mitleid, das in ihm aufwallte, und stürmte an ihr vorbei aus der Küche.
*
»Es ist niemand im Haus. Wir können uns ungestört umsehen«, meldete Saranga.
»Bist du dir ganz sicher?«
»Aber ja. Alle fünf sind in Richtung Hafen gegangen. Und Bedienstete gibt es keine.«
»Ja, alle fünf«, knurrte der Zauberer. Vertos war noch immer verstimmt, dass Cay mit dem Leben davongekommen war. In seiner ersten Wut hätte er Pierre und den Stallknecht am liebsten hart dafür bestraft, doch Saranga hatte Recht. Sie hätten diese Aufgabe eben nicht an zwei Bedienstete weitergeben dürfen. Im Moment jedenfalls konnten sie an der Lage nichts ändern.
»Gut, dann wollen wir uns beeilen. Wer weiß, wie lange sie wegbleiben werden.«
Die Hintertür leistete Saranga auch bei ihrem zweiten Eindringen keinen Widerstand. Entweder hatten die Bewohner nicht bemerkt, dass in der Nacht ein Eindringling dagewesen war, oder sie hielten es nicht für notwendig, ihr Quartier zu schützen – in diesem Fall würden sie hier nichts von Interesse finden!
Vertos und Saranga begannen mit den drei kleinen Schlafkammern im oberen Stockwerk und arbeiteten sich schweigend durch alle möglichen Verstecke. Das Haus war kleiner als das ihre und nur spärlich möbliert, so dass sie rasch vorankamen.
»Den Drachen werden wir hier nicht finden«, vermutete Saranga, als sie die Treppe zur Küche hinunterstiegen. »Entweder tragen sie ihn ständig bei sich, oder sie haben sich ein Versteck ausgedacht, das sie magisch verborgen haben. Ich jedenfalls würde es so machen.«
»Ich kann versuchen, magische Schwingungen aufzuspüren«, schlug Vertos vor.
Saranga nickte. »Gut, mach das. Ich sehe mir so lange die Küche und die Vorratskammer an.«
Außer
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