Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
seiner Koje bewegen wollte. Doch als die normalen Mittel keine Besserung brachten, legte ihnen der Kapitän nahe, in der Stadt Calphos von Bord zu gehen. Ein geheimnisvolles Fieber an Bord war für jeden Seemann ein Albtraum.
»Ich möchte nicht, dass meine Männer Meister Vertos über Bord werfen«, vertraute er Saranga an. »Man meint zwar immer, man habe das Kommando in festen Händen, doch so mancher Kapitän wurde schon eines Besseren belehrt. Man soll sein Schicksal nicht herausfordern!«
Saranga blieb nichts anderes übrig, als ihm zuzustimmen. Zwar hatten sie sowieso vorgehabt, sich auf die der Stadt vorgelagerte Insel ausbooten zu lassen, um die erbeuteten Schätze in ihr Versteck zu bringen, doch danach hätten sie ihre Reise gern in Richtung Osten fortgesetzt.
Das Fieber wurde immer schlimmer, und bald erkannte Vertos seine Begleiterin nicht mehr. Sie begann, um sein Leben zu fürchten. Ihn auf die felsige Insel zu bringen, wo sie in einem Höhlenversteck hausen und sich von Fisch und Muscheln ernähren müssten, kam nicht in Frage. Also stimmte Saranga dem Kapitän zu, den Hafen von Calphos anzulaufen. Sie brachte den Kranken und die Pferde mit ihren Schätzen von Bord und mietete sich in einem komfortablen Haus am Stadtrand ein. Sie engagierte einen stummen Diener, der keine Arbeit mehr fand, nachdem er in den Verdacht geraten war, mit den Schmugglern der Küste gemeinsame Sache zu machen. Pierre und Saranga teilten sich Vertos' Pflege, die sich über Wochen hinzuziehen begann, ohne dass eine Besserung eintrat. Saranga zog Priester und Magier zu Rate, doch keiner konnte helfen. Ihr Verdacht, dass es sich nicht um eine gewöhnliche Krankheit handelte, war längst zur Gewissheit geworden. Es war durchaus üblich, dass Magier ihre wertvollen Bücher, Schriftrollen und magischen Gegenstände mit Schutzzaubern versahen. Erstaunlich war nur, dass Vertos einen solchen anscheinend übersehen hatte. Vielleicht war er zu gierig gewesen, sich das alte Wissen anzueignen, das er in den Beutestücken aus Wan Yleeres Haus vermutete. Oder es war ein ganz alter Zauber in einem der Bücher aus dem Kloster im Westen in dem sie auch die blaue Drachenfigur aufgespürt hatten.
Egal wer den Fluch gewirkt hatte, seine Folgen waren verheerend, und sie schienen nicht abklingen zu wollen. Saranga war gezwungen, noch ein Hausmädchen und eine Köchin einzustellen, obwohl Vertos die meisten Mahlzeiten wieder erbrach.
Nach zwei Monaten begann Saranga, darüber nachzudenken, ob sie die Suche nach dem Drachentor besser allein fortsetzen und Vertos für eine Weile hier in der Obhut der Diener zurücklassen sollte. Das Problem war, sie hatten bisher nur vage Anhaltspunkte aufgespürt, wo das Tor zu finden sei. Eine Insel weit im Osten mit zwei Vulkankegeln und den Ruinen einer Stadt zu ihren Füßen. Es wäre schon ein großer Zufall, wenn sie bei einer Fahrt mit einem Handelsschiff gerade auf diese Insel stieße. Wenn sie sich gezielt auf die Suche machen wollte, müsste sie sich ein eigenes Schiff mieten. Ein großes Schiff mit einer starken Mannschaft, denn sie würden die Küste verlassen und sich weit aufs Thyrinnische Meer vorwagen müssen. Doch etwas hielt sie zurück. Geld war nicht das Problem. Sie hatten bei ihrem Rachezug gegen Querno genug aus seiner unterirdischen Schatzkammer geraubt, um die Verluste auszugleichen, die er ihnen zugefügt hatte. Saranga hatte den Verdacht, dass Vertos in seinen alten Büchern das gefunden hatte, wonach sie suchten. Manchmal, wenn er sich in seinen Fieberanfällen unruhig hin und her warf, sprach er wirre Worte, die keinen Sinn ergaben. Das Tor zwischen den Welten und einige Zahlen kamen allerdings verdächtig häufig darin vor. Was, wenn er die Lösung gefunden hatte und erwachte, nachdem Saranga bereits mit einem Schiff gen Osten aufgebrochen war? Sie würden viel Zeit verlieren, bis sie wieder zueinandergefunden hätten und eine neue Expedition planen könnten.
Und was, wenn Vertos in ihrer Abwesenheit starb und sein Wissen mit ins Grab nahm? So blieb sie jeden Tag viele Stunden an seinem Bett sitzen und lauschte dem wirren Gebrabbel. Es gelang ihr jedoch nicht, sinnvolle Schlüsse daraus zu ziehen.
Dann kam der Winter mit seinen Gewittern und Schneestürmen, und an eine Fahrt in offene Gewässer war nicht mehr zu denken. Saranga spürte die Unruhe, die sie trieb, aber es blieb ihr nichts anderes übrig, als in Calphos und an Vertos' Krankenlager zu bleiben. Bis zur Jahreswende
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