Das Drachentor ("Drachenkronen"-Trilogie) (German Edition)
blieb sein Zustand unverändert. Saranga gab es auf, weitere Heilmittel auszuprobieren. Entweder würde er es schaffen, das Fieber besiegen und wieder erwachen, oder er würde an der zunehmenden Schwäche seines Körpers sterben. Bang fragte sie sich, in welchem Zustand sein Geist sein würde, wenn er erwachte. Was hatte der Schutzzauber alles zerstört?
Als die warmen Winde den Schnee schmelzen ließen, sank das Fieber, und Vertos erwachte zum ersten Mal. Sein Blick klärte sich, und er sah sich verwirrt um, bis er Saranga entdeckte, die in einem Sessel döste.
»Hast du nichts zu tun? Es ist heller Tag«, grummelte er.
Die Kämpferin fuhr auf, eilte ans Bett und lächelte auf ihn herab. »Willkommen bei den Lebenden. Wie geht es deinem Kopf?«
»Schauderhaft«, schimpfte Vertos und fuhr sich mit der Hand über das stoppelige Kinn. »Schick mir einen Barbier. Das ist ja schrecklich. Und meine Haare reichen mir bald bis auf die Brust.«
»Der äußere Zustand deines Kopfes interessiert mich wenig. Was ich wissen möchte: Ist in deinem Schädel alles in Ordnung?«
»Was soll denn da nicht in Ordnung sein? Er schmerzt schauderhaft, das ist alles.«
»Nun, immerhin hast du hier monatelang im Fieberwahn gelegen. Da ist diese Frage doch nicht ganz unverständlich.«
»Monatelang?«, rief der Magier entsetzt.
»Kannst du dich an Ehniport erinnern und an Querno?« Sie sah ihn gespannt an.
Vertos runzelte die Stirn. »Querno? Ah, der kleine Wichtigtuer, der Ferule das Heft aus der Hand genommen hat. Eine Schande ist das für die ganze Unterwelt von Ehniport! Aber dem haben wir es gezeigt, nicht?« Er lächelte zufrieden.
»Und Wan Yleeres?« Sie sah in das abgemagerte Gesicht mit den aufgesprungenen Lippen, das kaum noch etwas mit der einst beeindruckenden Erscheinung des Magiers gemein hatte.
Vertos richtete sich kerzengerade im Bett auf. »Was ist mit den Büchern? Wo sind sie? Ich brauche sie, sofort!«
Saranga drückte ihn in die Kissen zurück. Er war schwach wie ein junges Kätzchen geworden und versuchte nicht einmal, Widerstand zu leisten.
»Sie sind in Sicherheit, beruhige dich. Aber ich werde den Teufel tun und dir auch nur ein Blatt dieser alten Schriften in die Hand geben. Wenn ich mich nicht sehr täusche, hat ein böser Schutzzauber dich so lange außer Gefecht gesetzt.«
Vertos kaute auf seiner Lippe, dann kehrte zum ersten Mal ein Hauch von jenem Glanz in seine Augen zurück, den Saranga an ihm bewunderte.
»Ja, ich erinnere mich. Ich weiß jetzt, welchen Fehler ich begangen habe.« Seine mageren Finger umschlossen Sarangas kräftige, wohlgeformte Hand.
»Saranga«, flüsterte er heiser. »Ich habe gefunden, wonach wir so lange gesucht haben!«
Ein Lächeln breitete sich auf der Miene der Kämpferin aus, bis es ihre Augen erreichte und sie zum Funkeln brachte.
»Dann sieh zu, dass du gesund wirst und wieder zu Kräften kommst, damit wir sobald wie möglich in See stechen können!«
Gegen Abend kehrte das Fieber zurück, und der Magier begann wieder zu fantasieren, doch wenigstens hatte er ein wenig Suppe und einen Becher Wein bei sich behalten. Mit jedem Tag war Vertos nun länger wach und konnte sich an mehr Details erinnern, die er in den alten Büchern gelesen hatte. Noch verweigerte seine Gefährtin ihm jedes noch so kleine Pergamentstück. Sie durften nicht riskieren, dass Vertos einen Rückfall erlitt oder gar auf einen noch schlimmeren Zauber stieß, der sein schwaches Leben auslöschte. Vertos wurde übellauniger, aber auch kräftiger. Saranga schöpfte Hoffnung und begann wieder mit ihrem Trainingsprogramm, das sie in den vergangenen Wochen zunehmend vernachlässigt hatte. Sie schärfte und polierte ihr Schwert und ging mit ihm in den ummauerten Garten. Die Rasenfläche war nicht sehr groß, für ihre Übungen aber ausreichend. Sie nahm den Umhang ab und schnürte das Wams auf. Achtlos warf sie die Kleidungsstücke ins Gras. Saranga krempelte die Ärmel ihres einfachen Hemdes bis über die Ellbogen und zog ihre knielange Hose um die Taille etwas fester. Dann nahm sie Aufstellung, präsentierte das Schwert und führte es in langsamen Bewegungen abwärts, schwang es in Bögen und Schleifen, begann sich zu drehen und die Schläge mit Schrittfolgen zu verbinden. Viel zu früh begann ihr Herz rascher zu schlagen und ihr Atem schneller zu werden.
Verflucht! Das könnte sie im Ernstfall ihr Leben kosten.
Wie hatte sie nur so leichtsinnig sein können? Von nun an würde sie sich wieder
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