Das Drachentor
Ihre Augen sind nur auf sich selbst gerichtet.«
Revyn schwieg. »Da ist noch etwas, das ich dich fragen wollte«, sagte er dann. »Ich habe so viel gehört und weiß nicht, was wahr ist und was nicht.«
»Nichts ist wahr. Nichts ist wahr an dem Ort, von dem du kommst, Revyn .«
Er nickte sinnlos. »Na gut … Ich habe jedenfalls gehört, dass es jemanden gibt … der Drachen stielt. Regelmäßig. Bist du das?« Ihm war bewusst, wie unverschämt die Frage klang und wie offensichtlich die Antwort war. Die Elfe schien dasselbe zu denken und sie starrte ihn durch ihre Haare hindurch an. »Was tust du mit den Drachen? Und wie schaffst du es, dass sie einfach verschwinden?«
»Was ich mit den Drachen tue - das sagt ein Mensch! Ich erkläre dir, wie sie einfach verschwinden: Die heiligen Stämme entweichen der Welt. Die alten Zeiten verschwimmen. Bald wird es eine neue Wirklichkeit geben, eine, in der nur Menschen existieren!«
Revyn merkte, dass er nicht mehr erfahren würde. Er holte langsam und tief Luft. »Es tut mir leid. Ich wusste nichts von der Schuld, die auf meinem Volk … Aber was du getan hast, dass du die Drachen in Logond befreit hast … Ich bewundere deinen Mut. Du bist … sehr mutig.« Er lächelte unsicher.
Yelanah legte sich neben dem Feuer auf die Seite. »Du sprichst im Fieber, Menschenjunge.«
Revyn beobachtete sie im Flammenschein, als sie die Augen schloss. Er war ziemlich sicher, sie wusste, dass er es tat.
Dann legte auch er sich hin.
Grelles Licht blendete Revyn. Sonnenstrahlen und Schatten rauschten über ihn hinweg. Die Baumwipfel wiegten sich sachte im Wind.
Erschrocken fuhr er auf. Der Wald rings um ihn schien sich zu bewegen: Buchen wisperten und bogen sich und Zedern knarzten mit ihren Zweigen. Im Spiel des Lichts schien das Moos zu flattern wie ein Teppich. Vom Lagerfeuer der letzten Nacht waren nur noch Asche und verbrannte Erde geblieben. Von Yelanah keine Spur. Nicht einmal das Gras war platt gedrückt, wo sie letzte Nacht gelegen hatte.
Revyn ließ sich langsam wieder auf den Rücken sinken und kniff die Augen zu. In seinem Kopf surrte es wie in einem Wespennest - was durchaus daran liegen konnte, dass er die ganze Nacht mit der Schläfe auf einem Stein gelegen hatte. Sein Mund war entsetzlich trocken. Die Elfe war fort. Er würde sie wahrscheinlich nie wiedersehen. Wäre er doch in seinem Bett! Bloß in irgendeinem Bett, wo es warm und trocken und dunkel war …
Sie musste in aller Frühe gegangen sein. Vielleicht war sie aber auch schon in der Nacht verschwunden, sobald er eingeschlafen war. Ihre Worte, ihr Gesicht im Feuerschein, das alles würde bald in seiner Erinnerung verblassen wie ein Traum.
Krallen setzten neben ihm im Gras auf. Palagrin ließ sich neben ihm nieder und stieß ein kummervolles Seufzen aus. Warme Nüstern stupsten Revyn gegen die Stirn. Deine Verletzung entzündet sich. Wollen wir zurück in die Stadt?
»Nein … nein«, murmelte Revyn, ohne die Augen zu öffnen. »Ich kann nicht zurück.«
Ich weiß schon, wieso. Normalerweise bist du nicht so durchschaubar wie die anderen Menschen. Aber wie du sie angeguckt hast … Selbst ein Blinder hätte es erkannt.
Was soll das denn heißen?!
Palagrin schnaubte auf. Es klang belustigt.
Weißt du denn, wie sie die Drachen gerufen hat?, überlegte Revyn. Was sie mir erzählt hat, letzte Nacht …
… ist wahr. Sie kann sprechen. So wie du.
Revyn öffnete blinzelnd die Augen. Palagrins Gurte waren weg. Yelanah musste sie gelöst haben, bevor sie gegangen war. Revyn spürte, wie ein Lächeln über sein Gesicht glitt, während Palagrin die Flügel bewegte.
Wirre Fieberträume suchten ihn heim. Er sah sich selbst im Wald liegen, eingehüllt in Moos und Farn. Seine Wunde schwoll mit jedem Pulsschlag an. Die Nähte platzten. Dickflüssiges Blut kroch hervor … Vor Grauen schrak er auf und glaubte tatsächlich Blut vor sich zu sehen, weil das unruhige Sonnenlicht ihn blendete.
Aber er träumte auch von ganz anderen Dingen.
Er war zu Hause in seiner Hütte. Es sah alles genauso aus, wie er es verlassen hatte. Doch die Fensterläden waren vom Wind aus den Angeln gerissen. Der Boden war vom eindringenden Regen aufgeweicht und voller Dellen. Staub überzog die Kessel und Töpfe. In seinem Bett krabbelten Motten und zerfraßen den Stoff. Revyn erschrak: Da, am alten Webstuhl saß seine Mutter!
»Mama?«, fragte er ängstlich. Sie hörte ihn nicht, saß reglos da und starrte die Spinnweben an. Als
Weitere Kostenlose Bücher