Das Drachentor
Flüssigkeit in seinen Mund rann, und er trank mühsam und gierig.
»Bereust du, was du getan hast?«, fragte Yelanah.
Revyn schüttelte leicht den Kopf, als der Wasserschlauch verschwand. Wie lange hatte er nichts mehr getrunken? Ihm war, als kehre mit dem Wasser das Leben in ihn zurück. Als er ausatmete, trat ein erleichtertes Lächeln auf sein Gesicht. »Ich wusste, dass du wiederkommst.«
»Palagrin hat mich gerufen«, erklärte sie ernüchternd, doch es hatte einen Moment gedauert, ehe sie geantwortet hatte. »Ich bin wegen ihm hier.«
»Woher kennst du seinen Namen?«, murmelte Revyn. Er hörte, wie Yelanah sich erhob. Ihre Füße setzten leicht im Gras auf.
»Woher wusstest du, dass er Palagrin heißt? Als ich ihn fragte, sagte er, dass du sein Bruder bist. Sein kleiner Bruder.«
Ihre Hand schloss sich um seinen Arm und sie legte ihn um ihren Hals. Mit der anderen Hand umfasste sie seine Seite und richtete ihn auf. Revyn versuchte mitzuhelfen, aber je mehr er sich bemühte, desto ungeschickter stellte er sich an. Schließlich gab er es auf. Palagrin schob den Schwanz unter ihn und Yelanah half ihm auf den Drachenrücken. Dann fühlte er ihren Arm um seine Hüfte und sie ritten los. Das dumpfe Aufschlagen mehrerer Krallen begleitete sie, und später erinnerte Revyn sich nicht mehr, wie lange sie durch den Nebel galoppiert waren.
Ein Feuer prasselte. Die Wärme schmiegte sich an seine Seite wie ein lebendiger Freund. Revyn schlug die Augen auf und drehte den Kopf. Hinter den leuchtenden Flammen saß Yelanah. Er lag auf mehreren getrockneten Moosstreifen. Eine Felldecke reichte ihm bis zur Brust. Dabei bemerkte er - dass sein Harnisch weg war und sein Hemd! Erschrocken fuhr er auf.
»Keine Angst«, sagte Yelanah leise und ein kurzes Lächeln glitt über ihre Lippen. »Deine Kleider sind alle noch hier.«
»Wo sind wir?« Sein Blick schweifte in die Höhe. Erst glaubte er, sie hätte ihn in eine dunkle Höhle gebracht, doch über ihnen schloss sich ein dichtes Blätterdach zusammen. Rings um sie schimmerten mächtige Eichenstämme im Licht des Feuers.
»Das ist der Ring der Eichen«, erklärte Yelanah. Dann spitzte sie nachdenklich den Mund. »Du hast im Schlaf gesprochen. Und geweint.« Ohne seine Reaktion abzuwarten, erhob sie sich und entschwand seinem Blickfeld. Revyn berührte seine Wangen - tatsächlich waren da Spuren von Tränen. Er wischte sie eilig mit dem Handrücken trocken. Yelanah kehrte mit einer Holzschale in den Kreis des Feuerscheins zurück und überreichte sie ihm. »Trink das. Du hast seit zwei Tagen nicht mehr gegessen.«
Vorsichtig setzte er die Schale an seine Lippen. Es war eine kalte Brühe, die nach süßlichen Kräutern schmeckte. Währenddessen lehnte sich Yelanah zum Feuer vor und zog mithilfe eines Stöckchens etwas aus der Glut. Es waren drei goldbraune, runde Klumpen, die sie auf einen Holzteller legte und vor Revyn schob. »Iss, wenn du hungrig bist. Das sind die Wurzeln, die im Volk der Elfen gegessen werden. Auch die Drachen mögen sie. Wir nennen sie Celgonnwa. Das bedeutet in deiner Sprache … Süße Erde.«
»Süße Erde?« Revyn lächelte, wobei sich sein Gesicht nach dem langen Schlaf ungewohnt spannte. Zögerlich nahm er einen Bissen der seltsamen Wurzel. Sie war innen weiß und weich wie frisches Brot. Sie schmeckte auch ein wenig wie Brot - nur sehr viel erdiger, fast pilzig, und gleichzeitig erstaunlich süß. Revyn musste sich an diese Kombination erst gewöhnen.
Er schluckte hinunter und erwiderte dann Yelanahs Blick. Er kam ihm unergründlich vor. Entweder durchschaute und verachtete sie ihn oder sie durchschaute und bemitleidete ihn - Revyn konnte sich nicht ganz entscheiden. Nachdenklich drehte er die Süße Erde in der Hand.
»Schlaf jetzt weiter, Menschenjunge«, sagte sie. »Wenn es dir morgen besser geht, bringe ich dich zu einem Pfad. Dann kannst du zu deinesgleichen zurückkehren.«
Revyn bemerkte den neuen Verband aus Blättern, den er am rechten Arm trug. »Wie soll ich dir danken?«, murmelte er.
»Kehre in deine Welt zurück. Und vergiss, was geschehen ist.« Sie holte noch zwei Celgonnwa aus dem Feuer, dann erhob sie sich und verschwand lautlos in der Dunkelheit jenseits des Flammenscheins.
Revyn war wach, als es hell wurde. Auf dem getrockneten Moos liegend, beobachtete er, wie die Baumkronen sich über ihm aus der Dunkelheit schälten. Er hatte sich alle vier übrig gebliebenen Celgonnwa genommen und aß sie nun. Etwas
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