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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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ihnen den Weg. Der Soldat starrte ihnen verwundert nach, als sie in einem Korridor verschwanden.
    Ardhes führte sie durch das Schloss. Die dunklen Steinhallen warfen das Echo ihrer Schritte laut und unheimlich zurück. Immer wieder drehte Ardhes sich um und lächelte Revyn an. Woher hatte sie gewusst, dass sie kommen würden? Hatte man sie vielleicht schon vorher auf ihrer Reise erspäht? Eigenartig, dass Ardhes gar nicht fragte, wieso sie zum König wollten …
    Schließlich erreichten sie ein Zimmer, das von zwei Soldaten bewacht wurde. Als sie Ardhes sahen, öffneten sie ihr die Türflügel.
    »Komm«, sagte Ardhes zu Revyn. Sie nahm seine Hand und lächelte. »Tritt ein.«

Octaris
    Sie betraten ein geräumiges Zimmer. Auf dem Steinboden lagen Teppiche und Felle ausgebreitet. In einem großen Kamin knisterte ein wohliges Feuer. Holzregale standen an den Wänden, gefüllt mit Gläsern, Krügen, Schalen und Töpfchen. Kräuter hingen zum Trocknen von der Decke herab und verströmten einen angenehmen Duft.
    In der Mitte des Raumes erhob sich eine kleine runde Empore, auf der ein Elf saß. Das lange Haar umgab sein schmales Gesicht und flackerte im sanften Schein des Kaminfeuers. Sein Blick war auf Revyn gerichtet. »Sei gegrüßt.«
    Revyn deutete eine Verbeugung an. »König.«
    »Yelanah, große Meleyis .« Octaris nickte Yelanah zu.
    Sie führte die Hände zum Gruß an die Stirn. »Octaris, ashar vy uryen dâr vrahal arm getahál.« Ihre Stimme war fest, aber trotzdem hörte Revyn, wie aufgeregt sie war. »Ich habe mich nicht geirrt. Ihr habt gewusst, dass wir Euch aufsuchen. Dann könnt Ihr vielleicht auch die Dinge vorhersehen, um deretwillen wir gekommen sind.«
    Octaris lächelte ein wenig. »Ja, ich sehe die Dinge, die dein Herz bewegen, Kleine Göttin. Schön, dass wir uns endlich gegenüberstehen. Jetzt erkenne ich den Mut und die Entschlossenheit in deinen Augen.«
    Yelanah neigte das Gesicht. »Auch ich habe lange auf diesen Augenblick gewartet. Jetzt kann ich endlich die Fragen stellen, die …«
    Octaris nickte. »Ja, ich weiß, Yelanah. Und ich will dir sagen, was ich sagen kann. Aber zuerst«, sein Blick richtete sich auf Revyn, »erlaube mir, mit Revyn zu sprechen. Was ich ihm sagen muss, wird auch für dich von großer Bedeutung sein.« Revyn war verwirrt. Woher wusste der König seinen Namen? Hatte Ardhes ihn vorher erwähnt?
    »Ich fühle mich geehrt, dich heute zu sehen«, fuhr Octaris fort. »Jemanden leibhaftig zu sehen ist doch immer etwas anderes. Ich will keine Zeit verschwenden - denn ich weiß, wie kostbar sie für dich ist. Ich glaube, ihr wollt von eurer Zukunft hören.«
    Revyn runzelte leicht die Stirn. »Ehrwürdiger König, wir sind wegen der Drachen hier. Wir wollen Euch fragen, ob Ihr wisst …«
    »Ja, ich weiß«, sagte Octaris - und lächelte über die Unklarheit seiner Antwort. »Du musst mir nichts erklären, Revyn. Ich kenne die Fragen, die euch herführten. Ich kenne das Gefühl in dir, wenn du daran denkst, wie schnell das Leben sich verändert und wie plötzlich die Vergangenheit hinter dir zurückbleibt - so schnell, dass du selbst nie ganz mitkommst. Aber fürchte dich nicht. Du verlierst dich dabei nicht, im Gegenteil: Wir wachsen im Verlust.«
    Revyn starrte ihn an. »Woher … was ?«
    »Ich habe dich gesehen«, sagte Octaris sanft. »So wie ich Yelanah gesehen habe und alle anderen Ahirah, die Kinder des Schicksals. Ich sah deine Vergangenheit. Und auch deine Zukunft. Ich hoffe, du verübelst mir nicht, dass ich deine Geschichte verfolgt habe.«
    »Meine Geschichte ?«
    »Die deine und die anderer. Aber wer weiß schon, ob ich sie richtig gedeutet habe - eine Geschichte ist immer nur das, was man in ihr sieht.«
    Octaris verstummte und betrachtete ihn eine Weile nachdenklich. »Wenn du deine Zukunft verstehen willst, musst du die Vergangenheit kennen. Weißt du, vor fast zehn Jahren, da stand einst ein Junge auf den Felskuppen Myrdhans und blickte zum Horizont. Er wartete auf seine Eltern, die in die Schlacht gegen Haradon gezogen waren. Was er jedoch an jenem Morgen erblickte, war das Heer Haradons, das seine Heimat zerstören sollte. Der Name des Jungen ist Alasar, und heute ist er ein Mann, geformt durch den Krieg, getrieben von Rache. Dieser Mann ist einer der Ahirah, der Kinder von Ahiris. Er wird die Zukunft der Welt beeinflussen. Womöglich ist er der Mächtigste von allen Ahirah. Mächtiger noch als du, Revyn. Er wird dein Schicksal sein.«
    »Ich verstehe

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