Das Drachentor
rechte Hand zu der Stelle, wo sein Schwert normalerweise steckte, doch er war ja unbewaffnet. Die Gestalten kamen auf ihn zu. Eine von ihnen deutete auf ihn.
»Revyn!« Er kannte die sanfte Stimme: Es war Khaleios, der König der Elfen. Hände ergriffen Revyn an den Schultern.
»Wo ist Yelanah?«, stammelte er. »Wo ist sie?«
Khaleios legte einen Arm um ihn und zog ihn vorwärts. »Ihr seid beide in Sicherheit.«
Der Mantel des Königs war auch über Revyn gefallen. Eine merkwürdige Ruhe überkam ihn plötzlich, gleichzeitig spürte er die Anstrengung in seinen Beinen nicht mehr. Er blickte hinab. Khaleios machte große, rasche Schritte, und Revyn staunte darüber, wie schnell seine eigenen Füße sich bewegten. Ob das alles mit rechten Dingen zuging - Revyn wusste es nicht und es war ihm egal. Als Baumreihen vor ihnen aufragten, die Äste ausgestreckt wie einladende Arme, und sie in den Wald eintauchten, empfand Revyn nichts als Dankbarkeit.
Ein Feuer knisterte. Der Duft von geräucherten Kräutern hing in der Luft. Blinzelnd öffnete Revyn die Augen. Er erinnerte sich nicht mehr daran, eingeschlafen zu sein, und wusste nicht, wo er war. Sein Rücken schmerzte vom langen Liegen. Er richtete sich auf und stützte die Stirn in die Hand, weil die plötzliche Bewegung ihn schwindelig machte.
Er hatte Khaleios und die Elfen getroffen … sie hatten die Wälder von Haradon erreicht. Doch mit den Schatten der hohen Bäume war der Schlaf über Revyn geglitten.
Er blickte auf und sah sich um. Wände aus Ranken umschlossen die vertraute Hütte des Königs und ein Herdfeuer flackerte in der Mitte. Über den Flammen kochte ein Kessel.
Revyn drehte sich zur anderen Seite und entdeckte eine schlafende oder bewusstlose Gestalt neben sich, die fast ganz unter der Felldecke verschwand. Revyn zog das Fell ein Stück zur Seite. Es war Yelanah!
»Yelan!« Er befreite sich von seiner Decke und ergriff ihre Schultern. »Yelan! O Götter … Wach auf! Yelan!« Hinter ihnen betrat jemand den Raum. Revyn drehte sich um.
Der König der Elfen stand in der Tür. Sein Blick glitt von Revyn zu Yelanah. »Ich habe ihr einen Schlaftrank gegeben, damit sie sich erholt. Du wirst sie in den nächsten Stunden nicht wecken können.«
»Wie habt ihr sie gefunden?«
Ein geringschätziges Lächeln glitt über Khaleios’ Gesicht, als er sich zum Gehen wandte. »Folge mir, Revyn.« Revyn zog Yelanah die Decke behutsam bis zum Kinn hoch. Dann stand er auf und verließ die Hütte.
Es war noch dunkel, doch die Kronen der Birken zeichneten sich bereits vor dem Himmel ab; bald würde der Morgen kommen. Die Grillen zirpten laut, und Motten umschwirrten die runden Laternen, die hier und da im Laub schimmerten. Nicht weit entfernt sah Revyn Khaleios den Hang hinaufgehen. Er holte ihn rasch ein.
Als der König ihn bemerkte, reichte er ihm eine geröstete Celgonnwa. »Später gebe ich dir noch mehr zu essen.« Revyn nickte und verschlang die weiche Wurzelknolle mit wenigen Bissen. Erst jetzt merkte er, wie leer sein Magen war.
Sie erreichten den Rand des Tals und Khaleios blickte zum Dorf zurück. Die Laternen leuchteten in der Dunkelheit wie gefallene Sterne und eine Weile standen Revyn und Khaleios schweigend nebeneinander und betrachteten die Lichter.
»Yelanah hat mir erzählt, dass in dir die Nebelgeister leben. Du bist also ein Gefährte der Dar’ hana. Ich möchte dich bei meinem Volk willkommen heißen, Mahyûr . Ab jetzt werden wir für dich sorgen.« Er führte die Hände an die Stirn und deutete eine Verneigung an. Revyn wusste nicht, was er erwidern sollte, und wandte sich wieder dem Dorf zu. Ein Gefühl der Geborgenheit und des Friedens überkam ihn.
»Yelanah hat mir auch erzählt, dass ihr bei Octaris wart. Was hat er dir prophezeit, Revyn?« Er wusste, dass er dem König nichts davon erzählen musste. Er könnte einfach sagen, dass er es für sich behalten wollte. Doch es gelang ihm nicht: Er musste Khaleios’ Frage nachgeben, auch wenn er sich nicht erklären konnte, wieso.
»Er sagte mir … dass ich ein Ahirah bin, ein Sohn von Ahiris.«
»Ein Sohn von Ahiris - ich wusste es. Was prophezeite er dir noch?«
»Dass … ich mit schuld sein würde am Untergang eines Volkes.«
Khaleios’ Augen leuchteten. »Dann ist es also wirklich so. Du wirst die Menschen vernichten.«
»Nein. Nicht die Menschen.« Er spürte, wie sich der König neben ihm verkrampfte. Dann zog er ruhig einen Dolch aus seinem Gürtel und hielt die
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