Das Drachentor
sie, dass Revyns Tod ihr das Herz brechen würde - und ohne Alasar hatte sie gar niemanden mehr.
Der kalte Wind blies ihr ums Gesicht und einzelne Schneeflocken ließen sich auf ihrem fellbesetzten Umhang nieder. Könnte die Kälte doch auch ihr Inneres betäuben.
Noch bevor Yelanah und Revyn die Dörfer erblickten, sahen sie die Rauchsäulen, die in den Himmel aufstiegen.
Vorsichtig gingen sie näher. Hinter einem Felsblock duckten sie sich in den Schnee und spähten zu den Strohhütten hinab.
Schreckliche Schreie hingen in der Luft. Feuer fauchten und ein markerschütterndes Krachen erklang, als mehrere brennende Dächer einstürzten. Haradonische Soldaten hatten das Dorf umzingelt, ihre gelben Banner flatterten im heißen Atem des Feuers. Dorfbewohner, die vor den Flammen flüchteten, stürmten in wilder Panik auf die Soldaten zu. Die Krieger hoben ihre Schwerter und schlugen jeden nieder, der aus dem Dorf ausbrechen wollte.
»Warum tun sie das?«, flüsterte Yelanah entsetzt.
»Der myrdhanische König muss die Bevölkerung in seine Armee eingezogen haben. Oder … Alasar!« Revyn stieß ein Keuchen aus. »Was, wenn Alasar ein Heer um sich geschart hat?« Die Kälte des Schnees kribbelte in seinen heißen Handflächen. »Die Haradonen bringen alle Myrdhaner um, aus Angst, sie könnten in die gegnerische Armee eintreten. Sie töten die Menschen, bevor sie Soldaten werden können.«
Abscheu und Grauen gruben sich in Yelanahs Gesicht. »Wenn die Menschen sich gegenseitig schon so behandeln, was tun sie dann erst mit den Dar’ hana ?«
Revyn starrte ins brennende Dorf hinab und schluckte schwer. Der Wind trug schwarze Rauchschwaden über sie hinweg und Revyn kniff die Augen zusammen. »Der Krieg muss kurz bevorstehen. Alasar ist nach Haradon gezogen. Wenn wir uns beeilen, können wir sie vielleicht einholen und die Dar’ hana befreien, bevor sie in die Schlacht geritten werden.«
Sie schlichen zurück und setzten ihren Weg nach Westen im Laufschritt fort. Immer wieder sahen sie brennende Dörfer. Die haradonischen Legionen jagten durch das ganze Land und töteten nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder, Greise. Es war ein sinnloses Abschlachten, doch Alasars plötzlich aufgetauchte Armee hatte die Haradonen in einen so großen Schrecken versetzt, dass alles Mitleid darin unterging.
Revyn und Yelanah stießen auf zahllose Flüchtlinge. Menschen mit Bündeln und Säcken eilten ihnen entgegen, um in den östlichen Ländern Zuflucht zu suchen. Kinder, beladen mit Gepäck, das größer als sie war, schleppten sich vorwärts. Mütter mit schreienden Säuglingen, gewickelt in angebrannte Tücher, liefen neben ihnen her. Yelanah musste sich nicht vor ihnen verstecken, denn niemand interessierte sich dafür, dass sie eine Elfe war.
»Was ist passiert?«, fragte Revyn die Leute. Die, die ihm antworteten, erzählten immer dasselbe: Die Menschen waren auf der Flucht vor den Haradonen, und manche waren auf der Flucht vor der neuen myrdhanischen Armee, die rücksichtslos ganze Dorfgemeinden verschleppte. Als eine Frau Steine nach Revyn warf, weil sie seine Herkunft erriet, hielten Revyn und Yelanah sich von den nächsten Flüchtlingen fern. Sie hatten alle ihre eigenen Kämpfe zu führen.
Nach zwei Tagen ging Yelanah und Revyn der Proviant aus. Sie hatten ihre letzten Bom am Abend zuvor verzehrt. Hunger und Kälte nagten an ihnen, als wollten ihnen die Götter zeigen, wie hilflos sie waren. Sie konnten kaum ihr eigenes Elend tragen, wie sollten sie da einen ganzen Krieg aufhalten?
Als der Abend dämmerte, sahen Revyn und Yelanah zwischen zwei sanften Hügeln ein Soldatenlager. Es waren nicht viele Männer; nur eine Handvoll Zelte lagen beieinander und drei Lagerfeuer leuchteten einsam der hereinbrechenden Nacht entgegen.
»Wir sollten den Männern morgen folgen«, sagte Revyn leise. »Wo auch immer eine Schlacht stattfindet, sie werden uns hinführen.«
Yelanah nickte. Der Duft von Gebratenem wehte zu ihnen herüber und ihnen knurrte der Magen. Revyn blickte zum westlichen Horizont: Die letzten Wolken schimmerten in kaltem violettem Licht. Hinter ihnen zog samtiges Blau über den Himmel. Als Revyn sich zu Yelanah umwandte, erkannte er kaum mehr von ihr als das Glänzen ihrer Augen. Die letzten Lichter des Tages schmolzen fort.
»Warte hier«, flüsterte er.
»Was tust du?« Sie blickte erschrocken auf, doch er war schon fort.
Lautlos lief er den Hügel hinab, direkt auf das Lager zu. Lachende
Weitere Kostenlose Bücher