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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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stets Waffen mit sich. Das war eines der vielen neuen Gesetze, die Alasar erlassen hatte. Auch Alasar trug seitdem sein Messer und ein langes Schwert am Gürtel. Jeden Abend mussten sich die Waffen tragenden Kinder in einer großen Grotte treffen, um das Kämpfen zu üben. Ein alter Mann, der einst in der Armee gedient hatte, unterrichtete die Jungen und Mädchen. Alasar war der ehrgeizigste Schüler und kämpfte auch dann noch gegen Rahjel, einen Holzklotz oder einen unsichtbaren Luftfeind, wenn die anderen Kinder bereits schliefen. Er war bald schon der beste Kämpfer geworden und diese Position kam ihm nur angemessen vor. Schließlich war er der Anführer von allen.
     
    Seit Alasar Magaura zurückgelassen hatte, war eine Kluft zwischen ihnen entstanden. In manchen Augenblicken erschien ihm seine kleine Schwester so fern, dass er die Einsamkeit kaum ertrug, die wie eine dunkle Luftblase in ihm lauerte.
    Nachdem Alasar mit dem Holz heimgekehrt war, stand Magaura wieder im Mittelpunkt all seiner Bemühungen. Er sorgte dafür, dass sie die Erste war, der das Essen ausgeteilt wurde. Sie trug die besten Kleider, die es in den Höhlen noch gab, und ihr standen die ersten Strümpfe aus der Wolle eines Schafs zu, das sie in den Höhlen gefunden hatten. Alasar deckte sie nachts mit Fellen zu, bis sie es warm hatte, und erzählte ihr Geschichten. Er wusch ihr die verfilzten Haare, sodass sie weich wurden wie die Hasenfelle, die Alasar ihr schenkte. Er schenkte ihr auch selbst geschnitzte Figuren und überhäufte sie mit den Kristallen, die anscheinend nur er in den Grotten finden konnte. Sogar zum Kampfunterricht nahm er sie mit, obwohl sonst keiner der Kleineren dabei sein durfte, und ließ sie auch bei jeder anderen Gelegenheit spüren, dass sie als seine Schwester etwas Besonderes war.
    Magaura dankte ihm jedes Mal mit demselben Lächeln, das sein Herz erwärmte, demselben feuchten Kuss auf die Wange, denselben fröhlichen Ausrufen. Und doch war es nicht mehr wie früher. Obwohl Magaura sich nie wieder Wut oder gar Ablehnung anmerken ließ, erkannte Alasar eindeutig, dass sie sich verändert hatte. Es dauerte eine Weile, ehe er es mit ihren neuerlichen Wanderungen durch die Höhlen in Verbindung brachte.
    Nachdem Magaura fünf Tage lang alleine in der Dunkelheit verbracht hatte, wurde sie sich einer bisher unentdeckten Liebe zu den Höhlen bewusst. Die verschlungenen Felsgänge waren die Eingeweide der Erde, weit und finster. Der tote Fels war das Skelett eines schlummernden Wesens, und Magaura, die durch seine schwarzen Herzkammern kletterte, fürchtete und liebte seine schattenhafte Macht. Diese Leidenschaft mochte eigenartig sein für ein sechsjähriges Mädchen - und hätte sie Magauras Leben unter der Erde nicht so sehr erleichtert, hätte Alasar sich Sorgen gemacht. Aber was ihn wirklich beunruhigte, war die Tatsache, dass Magaura jetzt ohne ihn ging.
    Früher hatte sie sich keinen Schritt von den anderen fortgewagt, ohne Alasars Hand zu halten. Und nun war sie stundenlang ohne ihn unterwegs. Alasar begriff, dass sie sich von einer Abhängigkeit befreit hatte, die er selbst genossen hatte.
    Er sehnte sich nach dem flehenden Blick seiner Schwester, wenn sie ihn bat, sie niemals zu verlassen. Jetzt band sie keine Furcht vor dem Alleinsein mehr an ihn und das ärgerte ihn. Wenn er Magaura damals nicht zurückgelassen hätte, wäre alles noch wie früher, dachte er oft. Nie wieder durfte er sie alleine lassen. Aber das Holz ging zur Neige und sie brauchten dringend neues.
    Alasar grübelte und ging dabei unruhig durch die Felsgänge. In der Dunkelheit nahm die Lösung seines Problems vage Umrisse an … Es gab tatsächlich einen Weg zum Holz, ohne von den Haradonen entdeckt zu werden. Nicht durch das Land. Unter dem Land.
    Tage verbrachte Alasar damit, die Gänge zu erkunden, jetzt nicht mehr zur Freude wie vor dem letzten Winter mit Magaura, sondern ernst und entschlossen. Er achtete nicht auf die Schatten, die ihm aus den Gesteinsfalten zuzuflüstern schienen, und übersah die wundersamen Grotten. Er befühlte die Steinwände, kroch in die tiefsten Gänge - manchmal sogar bäuchlings, weil es so eng wurde - und suchte nach dem besten Weg nach Norden. Er kam zu dem Schluss, dass man notfalls auch mit einem Schwert graben konnte.
    »Wohin gehst du eigentlich immer nachts?«, fragte Magaura ihn eines Tages. Da erklärte Alasar ihr seinen Plan: »Wir könnten einen unterirdischen Weg zum Wald graben. Dann brauchen wir

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