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Das Drachentor

Titel: Das Drachentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jenny-Mai Nuyen
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erste Mal, dass der Junge gesprochen hatte. »Nun ja, das bin ich«, antwortete er schließlich. »Aber nicht irgendein gewöhnlicher Soldat, Junge, sondern ein Krieger von ganz besonderem Rang und …«
    Revyn spuckte vor ihm auf den Boden. Barim und die Dorfobersten stießen entsetzte Laute aus. »Das ist dafür, dass Ihr ein Soldat seid!« Der Junge spuckte wieder vor seine Füße. »Und das ist für Euren ganz besonderen Rang !« Das Gesicht des Händlers wurde hart.
    Der Junge erwiderte seinen Blick, dann drehte er sich um und ging mit großen Schritten davon.
    Endlich fand Barim seine Fassung wieder. »Revyn! REVYN! Hast du den Verstand verloren?! Du unverschämter Bengel … du, du … Komm sofort her! Hierher, sage ich!«
    Der Händler gab dem Fangmeister mit einer Geste zu verstehen, dass er dem Jungen nicht nachlaufen musste. »Wieso hat er das getan? Habe ich ihn beleidigt?«
    »Beleidigt, ihn ?« Barims breites Gesicht war rot vor Zorn. »Wie hättet Ihr ihn beleidigen können? Er ist ein merkwürdiger Bursche und ich muss mich aufrichtig für sein Benehmen entschuldigen.« Nervös lief Barim um den Händler herum und schob mit dem Fuß herumliegende Strohhalme auf die Stelle, auf die der Junge gespuckt hatte.
    »Wieso hat er etwas gegen Soldaten? Weiß er denn nicht, dass wir vor neun Jahren verhindert haben, dass die barbarischen Myrdhaner seine Familie abschlachten und sein Land besetzen?«
    Ein Zucken ging um Barims Mund, während er in den Regen hinausstierte. »Tja, der Junge hat keine Familie. Sie sind alle gestorben.«
    Der Händler runzelte die Stirn. »Doch nicht im Krieg?«
    »O nein! Sein Vater war ein ehrbarer Mann, er ist freiwillig in den Krieg gezogen und eben nicht wiedergekehrt. Das kann ja vorkommen. Sein großer Bruder war kurz davor gestorben, das hat ihn sehr mitgenommen. Und jetzt, vor ein paar Tagen, hat die Mutter dann das Zeitliche gesegnet, ist einfach tot umgefallen, als hätte sie der Blitz getroffen. Sie war allerdings vorher nicht mehr ganz klar im Kopf, wenn Ihr mich fragt. Den Verlust ihres Mannes und ihres Sohnes hat sie wohl nie verkraftet.«
    »Hm. Offensichtlich stammt der Junge aus einer recht anfälligen Familie.«
    »Ja, da habt Ihr recht. Und der Junge ist auch ein unverschämter Wirrkopf, wir Ihr leider gerade miterleben musstet. Ich sag’s ja immer: In manchen Familien steckt böses Blut und man kann nichts dagegen tun!«
    »Nun.« Der Händler atmete tief ein und rieb sich über den Kahlkopf und die spärlichen Haare an den Seiten, so als wolle er sichergehen, dass sie noch da waren. »Wenigstens hat der Junge dem Lehrling das Leben gerettet. Sollten wir nicht nachsehen, ob es ihm gut geht?«
    Barim schien ein Licht aufzugehen. »Aber ja, natürlich!« Endlich lief er zu seinen Lehrlingen und die beiden Händler folgten ihm mit einigem Abstand.
    »Bemerkenswert, der Junge«, raunte der ältere Händler seinem Gefährten zu. »Unverschämt, aber durchaus bemerkenswert …« Nachdenklich beobachtete er, wie der Fangmeister sich um den verletzten Jungen kümmerte. Offenbar hatte er sich ein paar Rippen gebrochen. »Oh - der Drache war übrigens auch ganz bemerkenswert, findet Ihr nicht, Meister Folchs?«
    Folchs grinste ein wenig. »Vielleicht sollten wir ihn kaufen, Meister Morok.«
     
    Mit schweren Schritten stapfte Revyn durch den Schlamm. Der Regen prasselte ihm auf den Kopf und auf die Schultern, als wolle er ihn noch tiefer in die aufgeweichte Erde drücken. Er wischte sich mit der Hand das Wasser vom Gesicht.
    Revyn wusste nicht genau, ob ihn sein Ausbruch von eben zufrieden machte oder nur noch wütender. Natürlich war er sich bewusst, wie er sich vor den Dorfobersten und Barim verhalten hatte. Wahrscheinlich kündigte der Fangmeister ihm jetzt seine Arbeit in der Scheune. Dann hatte Revyn gar nichts mehr, keine Arbeit, kein Geld, kein Essen … Aber im Moment war es ihm egal. Er brauchte kein Geld, und von ihm aus könnte er auch anfangen, Schlamm und Gras zu fressen! Er musste für niemanden mehr sorgen. Er war alleine.
    Etwas abseits von den anderen Häusern des Dorfes stand eine kleine Holzhütte mit einem tief hängenden Strohdach. Aus dem Kamin stieg kein Rauch. Die Fenster waren geschlossen.
    Revyn schlang zitternd vor Kälte die Arme um die Schultern und vergrub das Kinn im Kragen. Um die Hütte zu erreichen, musste er sich durch hohes Gras kämpfen, das den Boden jetzt wie nasse Schlingen bedeckte. Wenn es warm war, rauschten die Gräser im

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