Das Drachentor
Myrdhan ist aus dem Exil geflohen und hat einen Aufstand gegen unsere Vorherrschaft begonnen! Vor neun Jahren haben wir das letzte Mal eine große Schlacht gegen Myrdhan geführt. Wir haben zwar gesiegt, aber auch schwere Verluste erlitten. Es fehlt uns heute an Männern und Drachen und die Myrdhaner planen in diesem Augenblick einen neuen Angriff. Uns bleibt nicht viel Zeit.«
Meister Morok blieb stehen. »Ich weiß, hier ist eure Heimat. Die wenigsten von euch haben dieses Dorf und die Wälder je verlassen. Aber ihr seid nicht nur eurem Dorf verpflichtet, sondern auch eurem Land. Verteidigt es, denn wenn Haradon den Myrdhanern in die Hände fällt, gehen euer Dorf, euer Wald und eure Freiheit mit unter. Kämpft für Haradon! Schützt euer Land, denn es hat euch beschützt und eure Väter und Mütter vor euch.«
Revyn knirschte mit den Zähnen. Das war also der Grund, wieso sie alle hier versammelt waren. Als hätten sie alle nicht ganz andere Sorgen als einen Krieg irgendwo in der Ferne!
»Wir können nicht kämpfen«, rief jemand. Andere stimmten finster zu.
»Dann müsst ihr es eben lernen«, gab Meister Morok zurück. »Darum kommt morgen mit uns nach Logond. Unter euch sind genug Männer, die einen Drachen reiten und in die Schlacht führen können! Und auch wenn euch nicht die Ehre zuteil wird, ein Drachenkrieger zu werden, ist das Leben eines Fußsoldaten voller Ruhm, Kameradschaft und Freude. Jedes Schwert, jede Lanze zählen jetzt. Wir alle - ihr und ich und meine Männer -, wir sind die Hände von Haradon und diese Hände müssen sich zu stählernen Fäusten ballen! Kämpft für euer Land, wenn ihr den Mut in den Knochen und die Ehre im Herzen habt!« Noch immer schritt der Händler vor dem Feuer auf und ab. Sein Blick traf Revyns und er blieb stehen. »Ich bin auf königlichen Befehl hier. Jedes Dorf, so hat unser gelobter König Helrodir es angeordnet, muss zwanzig Krieger entsenden.« Nun wurden empörte Rufe laut.
Meister Morok strich sich über das spärliche Haar. »Gibt es hier keine zwanzig Männer mit Mut und einem edlen Herzen? Ich hatte gehofft, mir würden morgen mehr als zwanzig Männer folgen. Nicht wegen eines Befehls, sondern aus Stolz. Abgesehen davon erhält ein Soldat auch einen anständigen Lohn und muss nie hungern. Es ist ein gutes Leben, das ihr führen könnt, wenn ihr bereit seid, die rechte Sache zu vertreten.« Wieder kehrte Stille ein.
Dann trat plötzlich einer der Männer vor. »Ich werde gehen. Wenn schon zwanzig Männer fortmüssen, dann zwanzig, die etwas bewirken können.«
»Ich komme mit«, brummte ein zweiter, und bald fanden sich auch ein dritter und vierter.
Der Händler nickte jedem zufrieden zu, doch dann glitt sein Blick abermals zu Revyn. »Na, Junge? Ich habe gehört, dass du keine Familie mehr hast. Vielleicht findest du in Logond eine neue in deinen Kameraden. Dein Vater war doch ein ehrbarer Verteidiger unseres Landes, vielleicht willst du in seine Fußstapfen -«
Revyn konnte nicht mehr an sich halten. Er drängte die Männer rings um sich zur Seite und richtete seinen Zeigefinger auf den Händler. »Sag noch ein Wort über meinen Vater, ein Wort, und ich …« Die Männer starrten ihn verblüfft an. Nur Meister Morok war vollkommen ruhig, ja, er wirkte fast amüsiert.
»Ein Wort und was? Du hast keine Waffe und bist nicht stark. Wenn du aber ein Drachenkrieger wärst, kampferprobt und mit einem blitzenden Schwert, dann könntest du mir drohen, dann könnte niemand dir etwas anhaben.«
Das war doch nicht zu fassen! Selbst jetzt noch versuchte der Händler, ihn anzuwerben! Revyn ballte die Fäuste, doch dann wandte er sich um, griff nach der Tür und stapfte hinaus. Zwecklos zu bleiben. Mit Soldaten zu reden war einfach zwecklos.
»Junge Drachenkrieger werden gebraucht!«, rief der Händler ihm hinterher. »Komm mit und aus dir wird ein stolzer Drachenkrieger …«
Dann hörte Revyn nur noch den Regen und seine plitschenden Schritte in den Pfützen.
Die Grabräuber
Als Revyn seine Hütte erreichte, zog er das nasse Wams aus und ging im Raum auf und ab. Er war voller Wut auf den Händler, machte sich plötzlich Sorgen darum, wie er leben sollte, wenn Barim ihn nicht mehr arbeiten ließ, und raufte sich das Haar, weil er die Einsamkeit und Langeweile kaum ertrug. Er fühlte sich nutzlos, so wie ein Stein, der einfach da ist und sich selbst überlassen wird. Als er in der Dunkelheit über einen Kessel stolperte und sich die Zehen anstieß,
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