Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
neben mich. »Das war ein schöner Verlobungsring.«
Von unten war ein Klappern zu hören, dann das dumpfe Geräusch, mit dem die Post auf die Fußmatte fiel.
»Was …« Ich räusperte mich. »Was ist mit dem Tage buch?«
Sie legte ihre Hand auf den Buchdeckel. Hielt es zu. »Der übliche Teenie-Kram.«
»Katie hat mich angelogen – sie hat gesagt, sie habe am Dienstag bei ihrer Freundin Ashley übernachtet, aber Ashleys Vater sagte mir, sie sei seit Monaten nicht mehr dort gewesen.«
»Ah …« Dr. McDonald hielt das Tagebuch an ihre Brust. »Es ist nie eine gute Idee, zu –«
»Ich muss es wissen.« Ich sah auf meine Fäuste hinunter. »Schreibt sie etwas über Steven Wallace?«
Eine Pause.
»Steven Wallace? Nein, nein … von Steven Wallace ist nirgendwo die Rede oder von Sensational Steve oder was auch immer, wieso sollte sie über Steven Wallace schreiben?«
»Aber bei wem hat sie dann übernachtet, verdammt noch mal?«
35
Ich las die ganze Post von der Fußmatte auf und sah sie durch. Zwei Rechnungen, Reklame für Hörgeräte und Treppenlifte – und eine Handvoll Geburtstagskarten, alle an Katie adressiert.
Dr. McDonald spähte um meine Schulter herum. »Ist alles in Ordnung?«
Keine der Karten sah so aus wie die, die einmal im Jahr in meinem Postfach landeten, aber ich riss sie trotzdem auf.
» ALLES GUTE ZUM 13.! «, » AB JETZT SPIELEN DIE HORMONE VERRÜCKT!«, »HAB GEHÖRT, DU WIRST SCHON WIEDER ÄLTER!« Alle waren fertig gekauft: vorne drauf Kätzchen, Teddybären, grinsende Comicfiguren und innen die handgeschriebenen guten Wünsche von Freunden und Verwandten. In der von Michelles Mutter steckte ein Fünf-Pfund-Schein.
Keine selbst gebastelte Karte mit einem Foto, das sie an einen Stuhl gefesselt zeigte, mit schreckgeweiteten Augen.
Er hatte sie nicht. Es war nicht so wie beim letzten Mal. Katie war tatsächlich davongelaufen.
Oh, dem Himmel sei Dank …
Ich lehnte mich mit dem Kopf an die Haustür; das Blut pochte in meiner Stirn. Tief durchatmen.
Er hatte sie nicht in seiner Gewalt. Sie war weggelaufen, um mit dem Mistkerl zusammen zu sein, mit dem sie ins Bett ging. Mein kleines Mädchen. Zwölf – Jahre – alt.
»Ash? Ash, ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
Jetzt musste ich nur noch diesen Freund finden, Katie nach Hause holen und dann dem Kerl die Scheiße aus dem Leib prügeln.
Ich warf die Karten auf das kleine Tischchen an der Treppe und stürmte hinaus in den strömenden Regen.
Wir mussten vier von Katies Freundinnen abklappern, bis wir jemanden fanden, der wusste, wo das kleine Arschloch wohnte.
Millbank Park ragte achtzehn Stockwerke hoch über die umliegenden Sozialbauten hinaus. Ein Ensemble aus drei klobigen Hochhäusern, verbunden durch diverse Passagen, Wege und Korridore. Irgendein menschenfreundlicher Idiot im Wohnungsamt hatte beschlossen, dass diesen drei hässlichen Betonklötzen dringend noch ein knallbunter Anstrich fehlte. Die Farbe war im Lauf der Jahre größtenteils verblasst, und inzwischen waren nur noch schmutzige Braun- und Grautöne übrig.
Der Parkplatz war von einem Maschendrahtzaun gesäumt, krumm und schief und voller Löcher. Drüben nahe der Ausfahrt standen zwei verbeulte Transit-Wracks herum, daneben ein auf Ziegeln aufgebockter Fiesta und zwei VW Polo, an denen mehr Rost als Lack dran war.
Ich parkte neben den Transits und warf dann Dr. McDonald die Schlüssel zu. »Schließen Sie die Türen ab. Wenn irgendwas ist, geben Sie einfach Gas. Schauen Sie sich nicht um, mischen Sie sich nicht ein. Falls jemand fragt: Ich habe Sie gezwungen mitzukommen.«
»Aber das stimmt doch –«
»Ich habe Sie gezwungen. « Der Wind riss mir fast die Tür aus der Hand, als ich ausstieg. Regentropfen pladderten auf meinen Rücken.
Gott, war das kalt. Ich stapfte über den Parkplatz, durch das kaputte Tor und einen betonierten, mit Glasscherben übersäten Fußweg entlang, der unter einer Fußgängerbrücke zwischen Millbank East und North hindurchführte.
Die zweiflüglige Eingangstür von Millbank North stand offen. Ein Spinnennetz von Rissen zog sich über die eine Scheibe, kreuz und quer mit Isolierband geflickt. Ich tauchte ein in den beißenden Gestank nach Bleiche und Desinfektionsmittel. Die Fliesen unter meinen Sohlen waren nass, die Wände mit Graffiti-Tags besprüht. In einer Ecke lag ein Haufen durchweichter Flyer von einem Pizzaservice, die ein stinkfauler Austräger einfach hier abgeladen hatte. Der Aufzug funktionierte
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