Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
es nicht verdient, dass irgendein pickliger Fremder in Uniform es ihnen beibringt.«
Schweigen.
Dr. McDonald hob die Hand. »Kann ich ihn begleiten – ich meine, falls es okay ist –, ich muss mit ihnen über ihre Tochter sprechen, um ein wenig Kontext für die Viktimologie zu bekommen – hat Ash Ihnen erzählt, dass wir ein Problem mit den Psychologiedaten auf unseren Servern hatten und dass ich noch mal ganz von vorne anfangen muss? – Und ich bin erst gestern zu der Ermittlung gestoßen, aber ich möchte Ihnen versichern, dass dies nicht der erste Fall ist, den ich bearbeite, und ich bin sicher, dass Ash sich für mich verbürgen wird, nicht wahr, Ash?«
Na toll – jetzt würde also alles, was passierte, meine Schuld sein.
7
Douglas Kelly lugte durch den Türspalt. Seine Wangenknochen sprangen noch stärker hervor als früher, genau wie die Stirn, die Nase und das Kinn – als ob er sich nach und nach von innen her auflöste. Die fleckige Kopfhaut schimmerte durch den dünnen grauen Haarkranz. Noch nicht mal vierzig, und er sah aus, als hätte er die sechzig schon hinter sich.
Es war ein schönes Haus, im mittleren Drittel einer kleinen georgianischen Häuserzeile gelegen – einer von vieren, die einen kleinen eingefriedeten Park umschlossen. Aber während in den Anlagen hinter der McDermid Avenue das Grün unkontrolliert wucherte, war hier alles ordentlich und gepflegt, zur Straße hin gesichert durch einen ein Meter zwanzig hohen Zaun. Es war auch eine attraktive Wohngegend: hohe Fenster mit Stabwerk, kein Müll auf der Straße, jedes Auto ein Audi, Porsche oder Range Rover.
Von meinem schäbigen kleinen Häuschen im Arbeiterviertel Kingsmeath hätte es nicht weiter entfernt sein können, wenn es in Australien gelegen hätte.
Douglas Kelly blinzelte mich an.
Ich stand auf der obersten Stufe, die Hände hinter dem Rücken. »Douglas, können wir bitte reinkommen?«
Er machte den Mund ein paarmal auf und zu, als ob er die Luft schmecken wollte, dann drehte er sich um und ging mit steifen Schritten ins Haus zurück. Und sprach dabei kein Wort.
Wir folgten ihm ins Wohnzimmer.
Douglas ließ sich auf das Ledersofa plumpsen und griff nach einem Teebecher aus Porzellan. Er schielte zu der Reiseuhr hinauf, die auf dem Kaminsims vor sich hin tickte, ein irritierendes Geräusch in dem beengten, vollgestellten Raum. Umzugskartons stapelten sich auf den blanken Bodendielen zu einer kubistischen Stadtlandschaft; auf jedem prangte die Zeichnung eines Eichhörnchens in Latzhose, das eine rie sige Eichel schleppte: » SAMMYS FLINKER UMZUGS-SERVICE – DAMIT ALLES HEIL ANKOMMT!!!«
Eine Stehlampe warf einen gelblichen Lichtkegel in das düstere Zimmer.
Ich leckte mir die Lippen. Holte tief Luft. »Douglas, Sie haben sicher gesehen –« Mein Handy klingelte. »Scheiße …« Ich fischte das Ding aus der Tasche, ließ es fallen und fing es gerade noch auf, ehe es auf die Dielen knallte. Ein Name prangte in der Mitte des Displays: » KERRIGAN, MRS« Nein, danke. Ich schaltete das Handy aus und steckte es wieder ein. »Tut mir leid.«
Tick, tick, tick, tick.
Draußen fuhr ein Auto vorbei.
Noch ein Versuch: »Douglas, es ist –«
»Sie müssen die Unordnung entschuldigen. Wir sollten wirklich mal zusehen, dass wir mit dem Auspacken vorankommen, aber …« Er blinzelte, biss sich auf die Unterlippe, atmete zischend durch die Nase aus und ein. Seine blassblauen Augen schimmerten feucht. Er rieb sich mit der Hand darüber. Starrte in seinen Tee. »Es tut mir leid. Es war …«
Tick, tick, tick, tick.
»Douglas, unser Suchteam hat –«
»Die ganzen Jahre sind Sie immer gekommen und haben sich mit uns zusammengesetzt: jeden sechzehnten September, sogar, als Angela ihren Nervenzusammenbruch hatte … Das hätten Sie nicht tun müssen.«
»Douglas, es tut mir so leid; wir –«
»Sagen Sie es nicht. Bitte. « Der Porzellanbecher zitterte in seinen Händen. »Bitte …«
Tick, tick, tick, tick.
Dr. McDonald bahnte sich einen Weg zwischen den Kisten hindurch, ging vor Douglas Kelly in die Hocke und legte ihm eine Hand aufs Knie. Genau so, wie sie es bei Helen McMillans Eltern gemacht hatte. »Es ist in Ordnung. Sie dürfen loslassen.«
»Es ist …« Douglas kniff die Augen zu und biss sich auf die Lippen.
»Es ist vor langer, langer Zeit passiert. Sie muss nicht mehr leiden; er kann ihr nicht mehr wehtun. Es ist vorbei.«
»Wer …« Eine Träne rann ihm am Nasenflügel hinunter. »Wer …« Als er die
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