Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
nicht? – Ich meine, da produziert Oldcastle diese Unmengen von Chlorgas als Beitrag zu den Kriegsanstrengungen; alle denken, sie helfen mit, den Ersten Weltkrieg zu gewinnen, und die ganze Zeit kippen die Fabriken tonnenweise Quecksilber in die Umwelt, womit sie sicherstellen, dass ganze künftige Generationen mit psychischen Krankheiten geschlagen sind …« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, legte die hohlen Hände an die Scheibe und steckte den Kopf in das improvisierte Guckloch.
Ich trat zu ihr und spähte in die Tiefe.
Ein Scheinwerferpaar strich über die Straße am Grund der Betonschlucht, gefolgt von einem silberfarbenen Mercedes-Van mit der Aufschrift » MCCRAE & MCCRAE BESTATTUNGSINSTITUT « auf der Seite. Der Wagen bremste unter dem Fenster auf Schritttempo ab, fuhr eine Rampe hinunter und verschwand im Untergeschoss des Krankenhauses.
Dr. McDonald trat von einem Fuß auf den anderen. Die Sohlen ihrer Hi-Tops quietschten auf dem Linoleum. »Ob sie das ist, was meinen Sie? Lauren Burges?«
Ich sah auf meine Uhr. »Könnte sein.« Vorausgesetzt, Matt hatte sie rechtzeitig aus der Erde geholt, bevor der forensische Archäologe aus der Mittagspause zurückgekommen war.
»Im Jahr 1916 produzierte Oldcastle bereits mehr Chlor als irgendeine andere Stadt in Europa, und jetzt ist keine einzige Fabrik mehr übrig.« Sie trat vom Fenster zurück. »Wann ist die Autopsie?«
»Obduktion, nicht Autopsie.«
Sie fing an zu singen – eine kleine, mädchenhafte Stimme, kaum mehr als ein Flüstern.
» Ich sag Leichenschauhaus, du sagst Leichenhalle;
Du sagst Obduktion, ich sag Autopsie … «
Sie folgte der schwarzen Linie bis zu der Stelle, wo sie unter den verbeulten Metalltüren eines Aufzugs verschwand. Daneben hing ein Schild mit der Aufschrift » ZUTRITT NUR FÜR KRANKENHAUSPERSONAL, KEINE PATIENTEN ODER BESUCHER «.
»Morgen früh. Professor Twining fängt immer um Punkt neun Uhr an.«
Dr. McDonald befingerte wieder die Mullbinde an ihrer Stirn. »Sie wissen, dass hier in der Gegend vermutlich noch genug Quecksilber im Boden lagert, um die Leute bis ins nächste Jahrtausend überschnappen zu lassen?«
»Sehen Sie’s doch mal positiv.« Ich drehte mich um und ging in Richtung Ausgang. »Wenigstens werden wir beide dann nie arbeitslos.«
»Danke.« Dr. McDonald schlug die Autotür zu, drehte sich um und humpelte über die gekieste Einfahrt auf ein Haus zu, das mit Sicherheit Millionen wert war. Wie alle anderen in der Fletcher Road war es eine große viktorianische Villa mit Erkern und Türmchen und einem riesigen Garten, den eine zweieinhalb Meter hohe Mauer von der Außenwelt abschirmte.
Weiße Lichterketten leuchteten in den kahlen Ästen alter Eichen – das hier war keine Gegend, wo man seinen Vorgarten mit Neon-Rentieren und aufblasbaren Weihnachtsmännern schmückte.
Ich öffnete die Heckklappe und wuchtete ihr Gepäck heraus – zwei knallrote Koffer, einer riesig, der andere mittelgroß. Die Räder blockierten immer wieder, als ich sie durch den feuchten Kies zerrte.
Eine Frau stand im Licht zweier Kutschenlampen unter dem Vordach: Mitte bis Ende vierzig, das kurz geschnittene blonde Haar auf einer Seite stachlig gegelt. Ein Diamant stecker funkelte in ihrer Nase, und zu ihrer zerrissenen Blue Jeans trug sie eine Lederweste – aber keine Bluse. Sie sah aus, als wollte sie für ein Heavy-Metal-Video vorsingen. Abgerundet wurde ihr Outfit durch diverse Tattoos: Etwas Blumiges zog sich über die eine Schulter; dazu hatte sie eine Schwalbe auf dem einen Fuß und einen Anker auf dem anderen.
Sie schnippte die Asche von ihrer Zigarette und nahm einen Schluck aus einem Kristallglas mit einer klaren Flüssigkeit und jeder Menge Eiswürfeln. Dem Akzent nach war sie nicht von hier; ich hätte sie eher in den englischen West Midlands verortet. »Alles klar, Alice-Schatz?« Sie breitete die Arme aus und drückte Dr. McDonald an sich, dann trat sie einen Schritt zurück und runzelte die Stirn. »Sag mal, was hast du denn mit deinem Kopf gemacht? Tut es weh? Sieht aus, als ob es wehtut. Jetzt kommst du erst mal rein und trinkst was. Ich hab ’ne leckere Flasche Belvedere im Kühlschrank, und Tonic-Water gibt’s auch.«
Ein ältlicher Jack Russell kam keuchend aus der offenen Haustür getappt, und Dr. McDonald strahlte. »Wo ist Onkel Phil?«
»Ist mit Ellie und Colin nach Glasgow gefahren, zum Konzert von dieser Boygroup, Mr Bones … Na ja, über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht
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