Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
Pause, in der man ungefähr bis zehn hätte zählen können, und als Michelle weitersprach, troff ihre Stimme vor erzwungener Munterkeit. » Nun erzähl mal, hast du dich schon eingelebt? «
Das alte Mütterchen schlurfte vorbei und schoss mir einen finsteren Blick zu. »Sie dürfen hier nich’ mit’m Handy telefonieren!«
»Polizei – es ist dienstlich.«
Sie zeigte mir den Finger und schlappte davon. »Im Krankenhaus soll man nich’ mit’m Handy telefonieren …«
» Ash? Ich habe gefragt, ob du –«
»Es sind jetzt drei Jahre, Michelle; meinst du nicht, dass du dir die Frage allmählich sparen könntest?«
» Ich wollte doch nur –«
»Es ist eine beschissene kleine Bruchbude in Kingsmeath, es stinkt aus dem Ausguss, irgendjemand schmeißt mir immer Hundekacke über den Gartenzaun, wobei der Garten sowieso ein Dschungel ist, und dieser Nichtsnutz von Parker pennt immer noch auf meiner Couch. Danke, ich habe mich super eingelebt.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
Typisch. Sie fing damit an, aber am Ende war ich es, der sich entschuldigen musste. »Tut mir leid, es ist … Ich wollte dich nicht anschnauzen.« Ich räusperte mich. »Wie geht’s deinem Vater?«
» Ich dachte, wir wären uns einig, dass wir so was in Zukunft sein lassen. «
»Ich hab doch gesagt, es tut mir leid, okay?« Aber auch jedes Mal. »Also, was ist mit Katie? Willst du sie mir mal geben?«
» Es ist zwanzig vor vier am Montagnachmittag – was glaubst du denn? «
»Sag bloß, sie ist –«
» Ja, sie ist in der Schule .«
»Wer ist denn gestorben?«
» Sie will für einen Monat nach Frankreich gehen .«
Ich runzelte die Stirn. »Was?«
» Ich sagte, sie will –«
»Wie kann sie für einen Monat nach Frankreich gehen?« Ich tat zwei Schritte auf die Wand zu, machte kehrt und ging zwei Schritte in die andere Richtung, die Finger um das Handy gekrampft. »Was ist denn mit der Schule? Sie geht doch so schon kaum hin! Herrgott noch mal, Michelle, warum muss ich immer den bösen Cop spielen? Warum kannst –«
» Es ist doch von der Schule aus – so eine Austauschgeschichte; sie wohnt bei einer französischen Familie in Toulouse. Sie glauben, es wäre gut für sie. Dass es ihr hilft, sich zu konzentrieren .« Und dann war die schnippische Stimme wieder da. » Ich hatte auf ein bisschen mehr Unterstützung von dir gehofft. «
»Sie wollen sie für einen Monat irgendwo parken, wo wir sie nicht unter Kontrolle haben, und du bist damit einverstanden?«
» Ich …« Ein Seufzer. » Wir haben doch sonst schon alles versucht, Ash. Du weißt, wie sie ist .«
Ich bohrte die Fingerspitzen in meine kribbelnden Augen. Es half nicht wirklich. »Sie ist im Grunde ein gutes Mädchen, Michelle.«
» Mein Gott, Ash, nun werd’ endlich erwachsen. Sie ist nicht mehr dein süßes kleines Mädchen. Nicht mehr, seit Rebecca uns verlassen hat .«
Weil von da an alles den Bach runterging.
Ich stieß eine Doppeltür auf, die auf einen ruhigen Flur führte. Dr. McDonald stand am anderen Ende, an einen Heizkörper gelehnt, und starrte aus dem Fenster. Draußen bildeten zwei Flügel des Castle Hill Infirmary eine sechs Stockwerke hohe Schlucht aus schmutzigem Beton. Der Himmel war grellrot wie Blut und Feuer, mit tief hängenden Wolken, in denen sich das Licht der untergehenden Sonne fing. Aber Dr. McDonalds Blick ging nicht nach oben, sondern nach unten in die Dunkelheit.
Sie drückte die Fingerspitzen ihrer linken Hand auf den Verband in ihrem Gesicht. »Haben Sie gewusst, dass Oldcastle mit die meisten Fälle von psychischen Störungen in ganz Großbritannien hat, sogar mehr als London … also, prozentual gesehen. Fünfzehn aktenkundige Serienmörder in den letzten dreißig Jahren. Fünfzehn – und das sind nur die, von denen wir wissen. Viele schieben es auf die Inzucht, aber es liegt wahrscheinlich an den Chlorfabriken – ich meine, so viel Inzucht gibt es hier doch auch wieder nicht, oder?«
Sie war offenbar noch nie in Kingsmeath gewesen. »Ich mache Sie mal mit Shifty Dave Morrow bekannt, wenn Sie mögen. Der hat Schwimmhäute zwischen den Zehen.«
»Kam Ihnen an den Büchern in Helen McMillans Zimmer nicht irgendetwas merkwürdig vor?«
»Harry Potter, Vampir-Romanzen, solches Zeug? Katie hat Stephen King und Dean Koontz und Clive Barker, von daher sind meine Vorstellungen davon, was eine normale Lektüre für eine Zwölfjährige ist, vielleicht ein bisschen exzentrisch.«
»Schon irgendwie ironisch, finden Sie
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