Das dreizehnte Opfer: Thriller (German Edition)
längere Zeiträume von zu Hause weg ist; es würde sich also lohnen, in Richtung Lastwagenfahrer zu ermitteln, vielleicht auch Fahrer von Überlandbussen.« Sie schlang ihren Speck hinunter. Die Pilze. Den Toast. Die Bohnen. Es war, als sähe man Müllmännern zu, wie sie die schwarzen Säcke in einen Container warfen. »Und damit stehen wir vor dem Rätsel, dass Amber O’Neil, das allererste Opfer, im Mai entführt wurde – finden Sie das nicht merkwürdig, dass sie die Einzige ist, die im Sommer gekidnappt wurde, während es bei allen anderen zwischen September und Dezember war?«
»Vielleicht.«
Sie kaute, schluckte, schob noch eine Gabel voll nach und redete mit vollem Mund weiter. »Wenn wir heute mit den Obduktionen fertig sind, möchte ich das ganze Material, das zu Amber O’Neils Verschwinden vorliegt, noch einmal durch gehen; oder eigentlich hätte ich gerne alles, was Sie über sämt liche Opfer in den Akten haben – meinen Sie, Detective Chief Inspector Dickie lässt mich die Unterlagen nach Shetland mitnehmen? Vielleicht kann er ja alles auf eine CD brennen oder so?«
Ich sah sie an. Die Tomatensauce lief ihr übers Kinn, und ich musste gegen den Impuls ankämpfen, auf eine Serviette zu spucken und sie abzuwischen. »Haben Sie eigentlich eine Vorstellung davon, welche Menge an Unterlagen es zu jedem einzelnen Gratulator-Opfer gibt? Allein über Hannah Kelly haben wir drei Kisten voll. Da müssten wir schon mit einem Lastwagen rauffahren.«
»Oh …« Sie zuckte mit den Achseln und wandte sich wieder ihren Würstchen zu.
»Was ist mit den Tatorten? Fünf in Schottland, fünf anderswo. Könnte er von hier sein?«
»Mmmmmm …« Sie kaute noch eine Weile. »Besuchen Sie wirklich jedes Jahr Hannahs Eltern, damit sie nicht alleine mit der Geburtstagskarte fertigwerden müssen?«
Ich tunkte den Rest meines Eigelbs mit dem letzten Stückchen Toast auf. »Sie haben Tomatensauce am Kinn.«
Schweigen auf der anderen Seite des Tischs.
Vor dem Fenster rumpelte der 14er-Bus vorbei, der schlaftrunkene Krawattenträger zur Arbeit kutschierte.
Dr. McDonald wischte sich mit der Hand übers Kinn und leckte sich anschließend den Handteller ab. »Falls Sie sich wundern – das ist jetzt der Zeitpunkt, wo wir uns etwas über unser Privatleben erzählen und uns über gemeinsame Erfahrungen näherkommen.«
Nein, danke.
Wieder Schweigen.
Sie schnitt eine Scheibe Blutwurst in der Mitte durch und schob sie in die Luke. »Ich fange mal an. Ich heiße eigentlich gar nicht Alice, sondern Charlotte, aber ich hasse den Namen, weil diese Spinne in dem Buch über das Schwein genauso heißt; ich war die Beste in meinem Jahrgang an der Edinburgh University; das Thema meiner Doktorarbeit war abweichendes psychosexuelles Verhalten bei Wiederholungstätern; ich habe mitgeholfen, drei Vergewaltiger zu überführen und einen Pädophilenring und auch eine Frau, die ihre vier Kinder und zwei angeheiratete Verwandte umgebracht hat; ich mag Himbeeren, bin aber allergisch dagegen; ich habe einen Verlobten, der Systemanalytiker ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er eine Affäre hat, weil bei der letzten Weihnachtsfeier, da ist diese Nigella-Tussi die ganze Zeit um ihn rumschwarwenzelt, als ob ich gar nicht da wäre; ich bin in Peebles geboren, und ich war noch nie in Frankreich.«
Okay …
Sie schob sich Bohnen auf Toast in den Mund. »Jetzt sind Sie dran.«
»Lieber nicht.«
»Ich kann’s für Sie machen, wenn Sie mögen?« Sie legte tatsächlich Messer und Gabel weg. Dann schlang sie sich einen Arm um den Oberkörper und spielte mit der anderen Hand an ihren Haaren herum. »Mal sehen … Sie waren verheiratet, aber die Arbeit kam dazwischen; Ihre Frau hat es Ihnen übelgenommen, dass sie immer erst an zweiter Stelle kam; Sie haben das Problem aus der Welt zu schaffen versucht, indem Sie Kinder kriegten, und fast hätte es funktioniert, aber dann ist Ihre älteste Tochter von zu Hause weggelaufen, und die Ehe ging in die Brüche, und Sie bekamen nicht das Sorgerecht für die andere Tochter, und jetzt wird sie Ihnen immer fremder; Sie wohnen in einem lausigen Haus in einer lausigen Gegend, also haben Sie Geldsorgen … Glücksspiel?«
»Müssen wir das wirklich –«
»Sie sind es offensichtlich gewohnt, dass die Leute tun, was Sie sagen, was für einen Detective Constable ziemlich ungewöhnlich ist; das heißt, dass Sie mal einen wesentlich höheren Dienstgrad hatten, aber irgendetwas ist passiert, und Sie wurden
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