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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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wußte ich, daß ich das Geheimnis in der Hand hatte und es bald endgültig lösen würde.
    Aus meinen Erfahrungen in Kalifornien klug geworden, hielt ich nicht jede Einzelheit meiner Forschungen auf Papier fest. Ich dachte mir einen Code aus, bei dem ich etwa Methyl schrieb, wenn ich Phenzyl meinte, und Chlor, wenn ich Methyl meinte. Indem ich meine Forschungsergebnisse wie eine diplomatische Geheimnote chiffrierte, umgab ich mich mit einer Mauer von Geheimnistuerei. Einem organischen Chemiker wären meine Laboratoriumsaufzeichnungen wie die Notizen eines Verrückten vorgekommen.
    Wilhelm kam ein paarmal herein, blieb aber nur kurz, verwirrt und besorgt. Nemeth war verschwunden; seit er aus dem Beobachtungsraum gestürzt war, hatte er sich nicht mehr blicken lassen. Er hatte seine Papiere zusammengepackt und war ohne Erklärung aus seiner Wohnung in der Gaußstraße ausgezogen. Seine Wirtin wußte auch nicht, warum er so plötzlich das Weite gesucht hatte, obwohl die Miete im Voraus bezahlt war.
    „Könnten die Träume dieser alten Frau irgend etwas mit seinem Verschwinden zu tun haben?“ fragte mich Wilhelm. Er erkundigte sich nicht nach den Fortschritten meiner Arbeit oder deren Endziel. Ich nahm an, daß Magnussen ihn auf dem laufenden hielt – doch wieviel wußte Magnussen? Die Art, wie er die Arbeiten erledigte, die ich ihm auftrug, verrieten seinen Mangel an Verständnis, aber ich mochte seine nüchterne Tüchtigkeit.
    Jeden Abend zu später Stunde kehrte ich zu dem kleinen Haus in der Övelgönne zurück, um mich auszuziehen, zu duschen und erschöpft ein paar Stunden zu schlafen, obwohl Wilhelm mir ein Zimmer mit Bad in der Klinik angeboten hatte.
    Meine Hemden wurden gewaschen, das Haus geputzt, sogar meine Sachen gebügelt. Es waren immer Kaffee, Milch und einige Vorräte im Kühlschrank. Astrid sorgte für mich, und ich spürte, daß ihre unsichtbare Anwesenheit mir die lästigen kleinen Hindernisse des Alltags aus dem Weg räumte.
    Wir hatten nicht viel miteinander gesprochen. Außer der Arbeit im Labor schloß ich jegliche andere Betätigung aus. Astrid war immer unpersönlich zugegen, wenn ich sie brauchte; als ich ihr dafür dankte, daß sie sich um mich und das Haus kümmerte, zuckte sie nur die Achseln, als wären solche Pflichten nicht der Rede wert.
    An dem Tag, an dem ich sie und Magnussen bat, ihre Arbeit einzustellen, erschien Wilhelm.
    „Kurt Magnussen hat mir mitgeteilt, daß Sie mit Ihrer Synthese der Halluzinogene fertig sind“, sagte er.
    „Ja, in ein paar Tagen können Sie wieder über Heinemanns Labor verfügen.“ So nah am Ziel meiner Arbeit behielt ich das Resultat für mich. Ich wollte sie beim Abschluß meiner Forschungen nicht um mich haben. „Er und Astrid Gunnar waren mir eine große Hilfe.“
    „Was ist denn so Besonderes an Halluzinogenen?“ fragte Wilhelm und verbarg seine Neugier hinter betonter Beiläufigkeit.
    „Mein Kind ist noch ungeboren“, sagte ich, und um das Thema zu wechseln, fügte ich hinzu: „Haben Sie etwas von Heinemann gehört?“
    „Er genießt seinen Aufenthalt in Kalifornien“, sagte Wilhelm. „Wieso, hat er Ihnen nicht geschrieben?“
    Er hatte, aber seine Briefe lagen ungeöffnet auf dem Tisch in seinem Haus.
    Ich hatte ein Gefühl der Unwirklichkeit. Die Welt stand still, nur meine eigenen Gedanken und Ziele waren lebendig und in Bewegung. Meine Verfolger beobachteten mich stumm, ohne auf ihrer Fährte voranzukommen. Ich hatte keine Spur von Löfflers Detektiv bemerkt, der mich beschattete. Es war so, als handelte es sich bei all diesen mysteriösen Ereignissen – der versuchten Flugzeugentführung, Gobel, dem Agenten Langhans, dem Mikrofon im Haus, dem gestohlenen Tonband – nur um entschwindende Träume meiner Phantasie. Sie belasteten mich nicht mehr, und ich suchte keine Erklärung für sie.
    Meine Begeisterung über die Isolierung der Verbindung, die Hunde zum Heulen brachte, verwandelte sich in schreckliche Enttäuschung: Die chemische Lösung bewirkte nämlich vorläufig nur, daß der Pudel bellte.
    Ein völliger Mißerfolg ist praktisch bei jedem Experiment möglich; er zeigt einem, daß die eingeschlagenen Wege in eine Sackgasse führen. Man muß vielleicht tausend solche Irrwege gehen, ehe man, oft durch Zufall, den richtigen entdeckt und die Lösung findet.
    Ich stellte fest, daß die Verbindung in der Luft höchst instabil war, vor allem in alkalischen Medien, und ich benötigte einige Zeit, um ein stabiles Derivat zu

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