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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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gewinnen. Die Formel hatte ich schon im Kopf; ich hatte von jenem Tag an, an dem Kalyanamitra seine Fähigkeiten in meinem kalifornischen Labor entfaltet hatte, darüber nachgedacht und sie theoretisch überprüft.
    Nicht einmal fünfhundert Milligramm hatte ich aus dem Atem des Mediums extrahiert, eine Menge also, die genauester Einteilung bedurfte.
    Da die chemische Substanz vielleicht ein Produkt der eigentlichen aktiven Verbindung war, bemühte ich mich weiterhin, deren Struktur zu bestimmen und verließ mich dabei ganz auf meine Intuition. Ich zweifelte keinen Augenblick daran, daß ich auf der richtigen Spur war.
    Nachdem ich tatsächlich die richtige Zusammensetzung gefunden hatte, verblieben mir noch einhundert Milligramm des Grundstoffes für weitere Untersuchungen.
    Aber wirkte die Verbindung?
    Allein im stillen Labor – der Hund war wieder in seinem Zwinger – wandte ich mich meinen verschlüsselten Aufzeichnungen zu und rekapitulierte die Biologie dieses Phänomens. Da ich Angst hatte, meine Entdeckung zu Papier zu bringen, speicherte ich sie in meinem Gedächtnis.
    Madame Dolores besaß die seltsame Fähigkeit, sich in einen intensiven Gemütszustand hineinzusteigern. Dieser Zustand veränderte den Verlauf des Stoffwechsels der mit dem Schlaf zusammenhängenden Indolamine, was dann wiederum diese besondere Verbindung entstehen ließ. Konnte das bei ihrer Synthese eine Rolle spielende Enzym durch Stresshormone wie Adrenalcorticoide entstehen? Sogar wenn diese Verbindung unwirksam blieb, hatte ich eine Welt biochemischer und physiologischer Fragen erschlossen.
    Was aber bewirkte die Verbindung tatsächlich? Ich nahm an, daß es sich bei ihr um eine Art Verstärker für die Neuronen handelte, die die Empfindlichkeit der Gehirnzellen erhöhte, die dadurch auf die elektrischen Signale eines anderen Verstandes scharf abgestimmt wurden. Nach den Spannungsamplituden zu urteilen, die sie hervorriefen, wurden die Neuronen hyperaktiv.
    Hatte ich noch genügend Material, um das festzustellen? Bereits ein zehntel Milligramm LSD kann in einem Menschen Halluzinationen hervorrufen. Wenn meine hundert Milligramm der Verbindung die gleiche Potenz besaßen, hatte ich einen fast unerschöpflichen Vorrat. Andererseits erfordert ein Mescalinrausch ungefähr fünf Milligramm der Verbindung. Auf dieser Basis reichte es nur zu zwanzig Versuchen.
    Es gab nur ein Versuchskaninchen, dem ich trauen konnte – mir selbst. Bei oraler Anwendung bedarf es im allgemeinen einer größeren Dosis, und die Magensäure konnte mein Derivat zersetzen. Ich wagte mir die Verbindung aber auch nicht intravenös einzuspritzen; das Risiko, einen Stoff mit unbekannten und wenig schädlichen Eigenschaften zu injizieren, war mir zu hoch. Es blieb mir nur eine Art der Anwendung übrig – die Inhalation. Die Einführung der Verbindung über die Lungen schien mir der sicherste Weg zu sein.
    Ich mischte den Inhalt der Phiole mit destilliertem und entionisiertem Wasser, von dem ich hoffte, daß es träge war und füllte die Mischung in einen Zehn-Kubikzentimeter-Zerstäuber. Ich atmete tief aus, holte dann tief Luft und sprühte mir gleichzeitig aus dem Zerstäuber eine winzige Menge in den Mund. Meinen Puls fühlend setzte ich mich hin und wartete.
    Mein Kopf blieb klar. Höchstens mein Gehirn wurde empfänglicher und meine Sinne schärfer. Ich schaute auf die Wanduhr. Zwei Minuten waren vergangen, seit ich einen Bruchteil des ausgelösten 232 eingeatmet hatte.
    Ich gab ihm die Kodenummer 232, weil es die zweihundertzweiunddreißigste chemische Kombination war, die ich ausprobiert hatte.
    Plötzlich hörte ich das heftige Bellen und Heulen der Hunde aus einem Raum am Ende des Korridors. Sie reagierten auf die ätherische Dimethoxyverbindung in meinem Nervensystem, die zwei Minuten benötigt hatte, um sie zu erreichen.
    Fünf Minuten verstrichen, und die Hunde heulten immer noch. In mir war nichts vorgegangen; ich spürte keine Veränderung meiner Sinne. War ich wieder in eine Sackgasse geraten?

16
     
    Ich verließ niedergeschlagen und entmutigt das Labor, und meine Sinne verkrampften sich wie unter dem Einfluß zu vieler Amphetamine. Ich kam an dem Beschäftigungstherapieraum vorbei, in dem Drogensüchtige auf die Wiedereingliederung in die Gesellschaft vorbereitet wurden, da ergriff mich plötzlich ein unbekanntes Gefühl unglaublicher Macht.
    Die Drogenpatienten saßen hinter der großen Glasscheibe und plauderten bei ihren verschiedenen

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