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Das dritte Ohr

Das dritte Ohr

Titel: Das dritte Ohr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Curt Siodmak
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kokett an. Nemeth warf mir einen scharfen, tadelnden Blick zu, aber da er nichts dagegen einwenden konnte, entschied ich die Angelegenheit schnell. „Er ist Arzt. Er wird Sie unentwegt beobachten!“
    „Ich würde lieber beim Offner bleiben und die Aufzeichnungen vornehmen“, sagte Nemeth. „Ich bin an dem Test überaus interessiert, Dr. Bolt. Astrid könnte bei ihr bleiben.“
    „Ich ziehe es vor, daß Sie sie betreuen“, sagte ich schroff.
    Astrid brachte einen Stuhl für Nemeth.
    „Warum fühlen Sie nicht ihren Puls während des Tests?“ schlug ich ihm vor.
    „Den zeichnet der Polygraph automatisch auf.“ Nemeth legte großen Wert darauf, bei mir im Beobachtungsraum zu sein, um hinter das Ziel meines Experimentes zu kommen.
    „Sie braucht Ihren beruhigenden Einfluß. Kommen Sie, wir wollen ihr die Maske aufsetzen und anfangen.“
    Madame Dolores glitt tiefer in den Stuhl. Sie starrte die Decke an und ließ sich resigniert von Nemeth das Gummiband um die Stirn legen, das die Maske befestigte. Ihre Hand streichelte das Hündchen, das sich auf ihrem Schoß behaglich zusammenrollte.
    „Atmen Sie ganz ruhig“, riet ich ihr und schloß dann die schwere Tür hinter ihr und Nemeth.
    Wilhelm und Magnussen bedienten die telemetrischen Geräte, während ich den Bildschirm des Monitors beobachtete.
    Obwohl sie den Zweck meines Tests nicht kannten, assistierten sie mir als Team. Astrid stand erwartungsvoll am Fenster. Ich hatte ihr noch nicht dafür gedankt, daß sie die alte Frau nicht erst am späten Nachmittag, sondern schon morgens abgeholt hatte, und diese Unterlassung wurmte sie. Sie wußte nicht recht, wie sie sich mir gegenüber verhalten sollte.
    Madame Dolores’ und Nemeths Bild erschienen auf dem Schirm. Sie sah wie eine Gefangene auf dem elektrischen Stuhl aus. Nemeth umklammerte ihr Handgelenk und fühlte ihr den Puls; das Hündchen auf ihrem Schoß schlief. Ihre Konturen waren gespenstisch verschwommen.
    Die vielen elektrischen Geräte, mit denen sie verbunden war, und diepechschwarze Finsternis hatten die alte Frau so aufgeregt, daß sie sofort in Trance sank. Ihr Mund zuckte unter der Maske. Ihre Augen waren geschlossen, die Lider zusammengepreßt.
    Der Polygraph registrierte zunächst die für den RAB-Schlaf typischen raschen Schwingungen niedriger Spannung, und völlige Atonie der Halsmuskeln. Plötzlich begann die Feder unregelmäßig auf- und abzuzucken – die gleichen scharfen Zacken mit starker Amplitude wie in Kalyanamitras Enzephalogramm. Auf dem Monitor beobachtete ich Madame Dolores starr auf die Decke gerichteten Augäpfel. Ihr mühsames Atmen keuchte aus dem Lautsprecher. Ich beobachtete sie mit wachsender Erregung in der Hoffnung, daß die gesuchte Verbindung von dem Morit A und dem aktivierten Silicagel absorbiert wurde, die ich sorgfältig als Filter in die mit der Gesichtsmaske verbundenen Schläuche gefüllt hatte. Erst wenn ich diese Verbindung im Laboratorium extrahiert hatte, würde ich wissen, ob mein Experiment erfolgreich verlaufen war. Während ihrer Trance schlief das Hündchen, ein positiver Beweis dafür, daß nichts von der flüchtigen Substanz verlorenging. Bei der Beobachtung des Bildschirms und des Polygraphen fiel mir ein, daß ich als zusätzliche Vorsichtsmaßnahme auch einen Karbonylabsorber wie etwa Dinitrophenylhydrazin hätte anschließen sollen.
    Neben mir konnte Wilhelm beim Anblick der Aufzeichnungen seine Erregung nicht unterdrücken. Ausrufe und Fragen sprudelten über seine Lippen.
    „Phantastisch! Schauen Sie sich bloß die Amplitude-Zacken an! Ich habe so etwas noch auf keinem Registrator gesehen! Ich wollte, wir hätten ihr ein paar Elektroden eingesetzt. Glauben Sie, daß dieser Effekt vom Neotex oder dem Mittelhirn hervorgerufen wird?“ Er ließ seine beherrschte Ruhe fallen und war nur mehr Wissenschaftler. „Ach, ich wünschte, wir hätten ihr Elektroden in die Hirnhaut einsetzen können, in diese Retikulärstruktur, in der Informationen aus allen Teilen des Gehirns zusammenkommen! Haben Sie dieses Nervennetz schon einmal untersucht? Ich bin überzeugt davon, daß es für gewisse Bewußtseinszustände verantwortlich ist.“
    Er schaute mich an, ohne eine Antwort zu erwarten, und wandte sich dann wieder begierig dem Registrator zu, dessen Schreibernadel immer noch sprunghaft hin und her zuckte.
    „Wenn diese Zacken äquidistant wären, so schlügen sie alle Rekorde in der Geschichte der Elektroencephalographie! Ihre Reaktion sieht mir wie ein

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