Das Dunkel der Lagune
noch, dass er in die Kajüte taumelte und sich am Tisch festhielt in dem verzweifelten Versuch, sich aufrecht zu halten. Doch dann kam ihm der Boden der Kajüte entgegen, und ihm wurde schwarz vor Augen.
Als er wieder zu sich kam, lag sein Kopf in Rose' Schoß. Sie weinte und tupfte sein Gesicht mit einem feuchten Tuch ab. Er versuchte, den Kopf zu heben, worauf sie verzweifelt rief: »Mark, was ist mit dir? So sag doch bitte was.«
Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass sein Mund noch die ursprüngliche Form hatte. Allerdings war die Gesichtshälfte, mit der er auf dem Deck aufgeschlagen war, stark geschwollen. »Möcht wetten, dass ich recht lustig ausseh«, murmelte er.
Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Gott sei Dank, du bist wieder bei Bewusstsein. In der letzten halben Stunde wäre ich beinahe verzweifelt.«
Er erhob sich mühsam, stand aber so unsicher auf seinen Beinen, dass er sich auf dem Tisch aufstützen musste. »Es tut mir Leid, dass du das hast mit ansehen müssen.«
»Ich dachte schon, du bringst ihn um.«
Hagen zog die Augenbrauen hoch. »Was, glaubst du, hat er mit mir machen wollen?«
Er wankte hinaus auf Deck, gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Mason sich hochzog und sich übergab. Der breitschultrige Kerl schwankte, als würde er wieder zu Boden fallen, warf dann aber den Eimer an der Leine über Bord, um mit dem Meerwasser das Erbrochene wegzuspülen. »Immer korrekt bis ins Letzte«, höhnte Hagen.
Mason drehte sich zu ihm um. Sein Gesicht sah schlimm aus, aber die aufgeplatzten Lippen brachten ein Lächeln ohne jede Bitterkeit zustande. »Das nächste Mal, Hagen.« Er zog sich das Hemd aus, sodass die Blutergüsse an Brust und Bauch sichtbar wurden, sprang über die Reling und kraulte vom Schiff weg. Hagen zog sein Sweatshirt über den Kopf und folgte ihm. Das Wasser war warm, bot aber dennoch eine willkommene Erfrischung. Das Salz brannte in den Wunden und weckte die Lebensgeister. Nach einigen Minuten rief er Mason zu, er solle zurückkehren, und schwamm zurück zum Kutter.
Als sein Rivale auch wieder an Bord kam, fügte Hagen noch hinzu: »Jetzt, wo die Vorstellung vorbei ist, können wir ja weiterfahren.«
Mason ging wortlos in die Kajüte.
»Ich bringe dir in einigen Minuten einen Becher Kaffee«, versprach Rose. Hagen nickte und ging ins Ruderhaus. Kurz darauf glitt die Hurrier wieder durch die Wellen.
Genau um zehn Uhr stellte Hagen die Maschine ab. Das Schiff trieb noch eine Weile vorwärts, bis es zum Stillstand kam. Die anderen drei Besatzungsmitglieder standen an Deck, Mason mit schussbereiter MP. Kaum fünfhundert Meter vor ihnen in der Dunkelheit lagen die Sumpfgebiete des Kwai. Bei den Vorbereitungen für den schwierigsten Teil ihrer Fahrt empfand Hagen wieder seine innere Unruhe. Er beabsichtigte, durch einen nur wenigen bekannten Wasserlauf, den er bei einer seiner Schmuggelfahrten entdeckt hatte, in die Sümpfe einzudringen, und setzte darauf, dass Kossoff ihn an der Flussmündung erwartete – wenn er überhaupt auf ihn wartete. Der Russe würde sich bestimmt nicht vorstellen können, dass es für ein Schiff noch einen anderen Weg in die Lagunen gab.
Nebelschwaden zogen vom Land herüber. Der faulige Geruch des Sumpfes wehte ihnen mit dem ablandigen Wind entgegen. Sie standen an Deck, warteten und lauschten in die Nacht.
Doch außer dem Plätschern der Wellen gegen den Rumpf des Kutters und dem Seufzen des Windes war nichts zu hören. Hagen drückte den Starterknopf. Das Aufheulen des Motors zerriss die Stille der Nacht. Er drosselte das Gas, bis das Schiff sich mit gerade fünf Knoten auf die Lagunen zubewegte.
Hagen spürte, wie ihm der Schweiß auf die Stirn trat, als das Land immer näher rückte, aber es wurden keine Schüsse auf sie abgefeuert, es gab keinen Alarm. Nichts deutete darauf hin, dass Kossoff irgendwo auf sie lauerte. Hagen steuerte den Kutter durch sich windende Flussarme und ließ ihn schließlich ohne Motor ins hohe Schilf treiben. Mit einem erleichterten Aufstöhnen verließ er das Ruderhaus und ging hinaus auf Deck. »Und wie geht's nun weiter?«, wollte Mason wissen.
»Bis jetzt ist ja alles prima gelaufen. Wir sind da, wo wir hinwollten. Wollen wir nur hoffen, dass wir genauso problemlos wieder wegkommen, wenn es so weit ist. Wir haben morgen einen schweren Tag vor uns. Ich meine deshalb, wir sollten uns hinlegen.«
»Wie halten wir's mit
Weitere Kostenlose Bücher