Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
es sich um Aurelias Nachricht handeln musste. Einer der Sanitäter bedeckte nun Neils Gesicht und schob den Arm unter das Laken. Ich schlug die Hand vor den Mund und stolperte langsam rückwärts davon, während ich mit den Tränen kämpfte. Dann taumelte ich schneller und immer schneller davon, bis ich endlich die Galerie erreichte.
In der Ecke des Büros lehnte ich mich an die Wand und ließ mich langsam zu Boden sinken. Aber selbst dort waren die Sirenen immer noch zu hören. Panik setzte ein, und ich konnte dieses schreckliche Gefühl nicht abschütteln: Das war meine Schuld. Neil Marlinson war tot. Wie konnte er denn nur tot sein? Ich hatte doch gerade erst mit ihm gesprochen, war eben noch bei ihm gewesen.
Ich hatte die Hände vors Gesicht geschlagen, hockte auf dem kalten Fußboden und bekam den Anblick nicht mehr aus dem Kopf. Das mit Calliope und Raphaella hatte mich mitgenommen, aber Mr Marlinsons Tod schien mich zu zermalmen. Wie hatte das nur passieren können? Was war denn hier bloß los? Ein vertrautes Schlurfen verriet mir, dass Lance mir gefolgt war. Er kam zur Tür herein und blieb dann stehen. Aber solange ich nicht auch die letzte Träne vergossen hatte, war ich noch nicht bereit, der Welt wieder gegenüberzutreten.
»Alles klar? Ich weiß, das ist jetzt eine blöde Frage, aber … geht’s dir gut?«, fragte Lance behutsam.
»Wahrscheinlich war ich die Letzte, die ihn lebend gesehen hat. Ich war doch gerade noch bei ihm. Wie konnte das nur …?« Ich war nicht dazu in der Lage, den Gedanken auszuführen oder irgendetwas zu artikulieren, das einen Sinn ergab. »Ich habe doch nur …« Ich wischte mir mit den Händen übers Gesicht und sah endlich auf. Es kam mir so vor, als wäre ich in tausend Scherben zerbrochen, die ich nun wieder zusammensetzen musste.
Lance war im Türrahmen erstarrt, er stand mit hängenden Armen da, mit versteinertem Gesichtsausdruck. Schließlich ließ er sich auf den Schreibtischstuhl sinken.
»Also, es wird erzählt, dass er einen Herzinfarkt hatte oder so. Er war augenblicklich tot. Eins der Zimmermädchen hat ihn gefunden. Aber für so was kam er mir eigentlich zu jung vor – ich weiß auch nicht, du bist schließlich die angehende Ärztin.«
»Ja. Aber das ist es auch gar nicht«, erklärte ich. Jetzt war mir alles egal, ich würde ihm die komplette Geschichte erzählen, alles, was ich wusste.
»Und irgendwas ist in seinem Zimmer in Flammen aufgegangen – keine Ahnung, was. Die Details sind ziemlich vage, aber das wird sich bestimmt alles klären.«
Ruckartig stand ich auf und warf die verbliebenen Pralinenschachteln mit den Einladungen in die entsprechenden Beutel.
»Wir müssen hier raus, und zwar sofort.« Ich griff nach so vielen Tüten, wie ich tragen konnte, marschierte aus dem Büro hinaus und in die Galerie.
»Warte, draußen ist es eiskalt!«
»Das ist mir egal, ich muss hier weg!«
»Und ich komme mit, aber lass mich doch eben unsere Jacken holen, es bringt ja nichts, wenn wir draußen erfrieren. Gib mir mal deine Schlüsselkarte.« Er streckte die Hand aus. Während ich mit der Linken die Beutel festhielt, versuchte ich, mit der Rechten die Karte aus meiner Tasche zu fischen. Schließlich holte er sie selbst heraus.
»Wir sehen uns draußen.«
»Du bist ja verrückt!«, rief er mir nach und nahm die restlichen Beutel an sich. »Warte aber auf mich, ich bin in fünf Minuten da.«
Ich konnte nicht einmal klar denken – sie waren zu weit gegangen, und ich musste das jetzt endlich loswerden, all die ätzenden, giftigen Informationen, die sich schon viel zu lange in mir aufstauten, mussten jetzt einfach raus. Und ich wollte unbedingt an die frische Luft, mir war egal, wie kalt es war. Ich schob mich in der Lobby durch die Menge und marschierte zum Haupteingang hinaus, am Krankenwagen, der Feuerwehr und Polizei vorbei.
In kürzester Zeit tauchte auch Lance auf und entdeckte mich mit all meinen Geschenktüten neben dem Gebäude. Er trug jetzt seinen Parka und hielt meinen in der Hand. Der Wind ging uns durch Mark und Bein, als er mir die Beutel abnahm und mir stattdessen Jacke und Schlüsselkarte reichte. Dann teilten wir die Tüten wieder unter uns auf und machten uns auf den Weg zur L.
»Ich war die Letzte, die ihn lebend gesehen hat. Ich habe ihm noch Champagner und diese Nachricht hochgebracht. War das irgendwie meine Schuld?« Mir war gar nicht klar, dass ich die Worte laut ausgesprochen hatte, bis Lance mir schließlich antwortete.
»Du
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