Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
zumindest nicht für lange. Man hatte Interesse gezeigt, Aurelia war es aber geschickt gelungen, sowohl ihr Bedauern auszudrücken als auch die Sache gleichzeitig mit Bemerkungen wie »Solche Dinge geschehen nun mal« und »Wir haben alles Notwendige getan« herunterzuspielen, und nach ihrer Meinungsmache schien das Ganze kaum eine Randnotiz wert. Als ich auf dem Weg zu unserem üblichen Meeting durch die Lobby ging, wurde ich sogar von drei Gästen angesprochen, die in der Nähe des Capone auf einen Tisch fürs Frühstück warteten.
»Entschuldigen Sie, Miss?«, rief die Frau zu mir herüber.
»Guten Morgen«, begrüßte ich die Gruppe. »Was kann ich für Sie tun?«
»Stimmt es?«, brach es aus einem ihrer Begleiter heraus.
»Hat der Geist von Al Capone diesen Typen umgebracht?«, fragte der andere mit aufgeregt glänzenden Augen.
»Spukt es hier im Hotel wirklich?«
Ich unterdrückte ein Schaudern, lächelte dann aber und erlaubte mir ein wenig Dreistigkeit: »Wenn es nur das wäre.« Sie grinste nervös und verstand natürlich überhaupt nichts. »Einen schönen Tag noch.«
Als ich davonging, hörte ich die Frau begeistert »Ich wusste es!« quietschen.
Trotz der furchtbaren Neuigkeiten war ich heute Morgen fest entschlossen, mich nicht ängstlich und zerbrechlich zu zeigen. Mein Verstand schien Purzelbäume zu schlagen – er war so mit Bildern und Informationen weit außerhalb seines Erkenntnisvermögens überfrachtet, dass er mit Kurzschlussreaktionen dagegen vorging und auf alles seltsam reagierte. Ich musste ständig an das Gemälde im Art Institute denken. Es fühlte sich so vertraut an, als hätte ich damit eine eigene, verschüttete Erinnerung ausgegraben. Es lief mir kalt über den Rücken, als mir in den Sinn kam, dass ich genauso enden konnte. Die Mächte, denen ich mich hier stellen musste, würden mich aus dem Weg schaffen, tot und seelenlos zurücklassen. Aber das Mädchen auf dem Bild hatte auch etwas Starkes, Mächtiges an sich. Man spürte, dass sie sich nicht kampflos ergeben hatte. Und das hatte ich auch nicht vor, diese Schlacht war unumgänglich.
Heute Morgen betrat ich Aurelias Büro nicht so verschüchtert wie sonst. Sie imponierte mir nicht, als ich vor ihr Platz nahm und ihr die Presseausschnitte reichte. Ich hatte jetzt ein Geheimnis, und zwar ein großes, und wusste immerhin, dass sie mir heute nichts anhaben konnte.
Während sie die Blätter durchsah, konnte ich mir eine Bemerkung nicht verkneifen: »Gestern war ja ziemlich viel los, wenn auch nicht nur Erfreuliches.«
»Ja, das Fest war ein großer Erfolg, aber es ist wirklich schade um unseren netten Kunstliebhaber. Solche Sachen passieren nun mal, leider«, erklärte sie kühl, ging dann zur Tagesordnung über und erläuterte meine weiteren Pflichten. Ich schweifte in Gedanken ein wenig ab, während sie über die Pralinen und Grußkarten sprach, die ausgeliefert werden mussten, und ein neues Kunstwerk für die leere Wand in der Galerie erwähnte, an dem ein Syndikat-Mitglied arbeitete, damit bald wieder eröffnet werden konnte. Dann ging es um den Abschlussball, der von nun an unsere wichtigste Aufgabe sein würde. In meinem Kopf schwirrten allerdings ganz andere Dinge herum, als ich jählings in die Gegenwart zurückgeholt wurde.
»… eure Schule, die Evanston Highschool, hat dafür den 27. Mai gewählt. Das ist damit der erste der fünf Bälle.«
Ich keuchte. Dieses Datum laut zu hören war für mich ein harter Schlag. Es hatte sich in meinen Verstand eingegraben, hatte für mich nun eine ganz neue Bedeutung.
»Oh, tut mir leid, Miss Terra, haben Sie da vielleicht schon andere Pläne? Passt Ihnen der Tag nicht?« Aurelias Stimme troff nur so vor Herablassung.
»Nein, natürlich nicht. Ich meinte nur … das ist ja schon so bald.«
»Allerdings. Du und der andere …«
»Lance?«
»Genau, Lance, ihr werdet euch heute mit dem Planungskomitee in Verbindung setzen und die Sache ins Rollen bringen. Um alles rechtzeitig zu bestellen und vorzubereiten, brauchen wir jetzt schnelle Entscheidungen.«
Ich nickte nur und versuchte, mich zusammenzureißen. Bevor ich ging, stellte ich meine Nerven aber noch ein letztes Mal auf die Probe. Denn wäre ich nicht in all diese Geheimnisse eingeweiht, hätte ich das doch bestimmt angesprochen.
»Eins noch«, sagte ich deshalb auf dem Weg nach draußen, »ich wollte Ihnen nur Bescheid geben, dass ich heute Abend wieder im Tresor Fotos schieße, da Sie vorn am Empfang ja immer
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