Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
Beinen, aber ich hatte nicht einmal Zeit, hier wirklich Theater zu machen. Falls Dante mitbekam, was da vor sich ging, ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken. Egal, ob ich mich von hinten in die Küche schlich oder dreist durch die Restauranttür hereinspazierte, er sah nicht einmal auf. Es war, als würde er in seiner eigenen kleinen Isolierstation stecken, wo er nur eins tun konnte: nämlich brillant zu kochen und für die Gäste eine Show hinzulegen. Lance und ich hatten keine Ahnung, wo er steckte, wenn er sich nicht in der Küche aufhielt, vermuteten aber, dass er bei Etan war.
So verging die Zeit, es waren lange Monate, in denen wir zu einer seltsamen, unheimlichen Normalität fanden. In dieser Zeit meldete sich das Buch nicht wieder, ich bekam keine neuen Anweisungen, keine Warnungen. Inzwischen rief ich Joan jede Woche an und schrieb ihr auch Mails, um den Anschein zu wahren, dass alles in Ordnung war, aber manchmal wurde es fast noch schlimmer, wenn ich ihre Stimme hörte – das schien die Uhr nur lauter und schneller ticken zu lassen. In meinem Kopf war kaum noch Platz für etwas anderes. Ich lebte am Rande des Abgrunds und wusste, dass man mich bald hinunterstoßen würde.
Teil Drei
26
Du bist ja ein ganz neuer Mensch
E s war ein Samstag Ende April, und der eisige Frost, der Erde und Luft seit Monaten fest im Griff hatte, begann jetzt nachzulassen. Langsam rückte der Frühling näher und mit ihm das mir prophezeite Grauen. Ich stand auf dem Bürgersteig vor dem Hotel und wartete auf Joan. Seit jenem fürchterlichen Überraschungsbesuch war sie unglaublich geduldig gewesen, aber nachdem ich sie so lange wie möglich hingehalten hatte, musste ich mich jetzt all ihren Fragen und der typischen Elternneugier stellen und eine überzeugende Vorstellung liefern. Nun hieß es, ganz locker zu wirken.
Lance leistete mir beim Warten Gesellschaft und betrieb Smalltalk, während ich nach unserem geliebten, klapprigen Camry Ausschau hielt. Aurelia hatte mir den Nachmittag mit argwöhnischem Blick freigegeben, als ich ihr erzählt hatte, dass ich mit Joan verabredet war. Lance war von der Idee, den ganzen Nachmittag allein im Hotel zu hocken, gar nicht begeistert gewesen, und hatte ebenfalls um Erlaubnis gebeten, seine Mutter besuchen zu dürfen.
»Erinnere mich daran, dass ich dir Courtneys letzte E-Mail zeige«, sagte er jetzt und trat nach einem Steinchen auf dem Gehweg. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele verschiedene Möglichkeiten es gibt, ›Hors d’oeuvre‹ in einem einzigen Absatz falsch zu schreiben.«
»Meinen Namen kann sie auch nicht buchstabieren.« Das stimmte. Und manchmal nannte sie mich sogar Holly. Plötzlich war ich froh darüber, dass ich die letzten Monate nicht in die Schule gemusst hatte. Auch wenn das hier ebenfalls die Hölle war, und zwar fast wortwörtlich.
»Wie ist die nur in Englisch für Fortgeschrittene gelandet?«
»Keine Ahnung. Mich wundert, dass sie überhaupt lesen kann.«
»Heutzutage lassen sie da echt jeden rein.«
»Da kommt sie«, sagte ich beinahe zu mir selbst, als Joan an den Straßenrand fuhr und fröhlich, heftig winkte. Ich winkte zurück.
»Also, dann bist du so um acht zurück?«, fragte Lance und trat ein paar Schritte zurück. Er rückte seine Brille zurecht – die Geste verriet mir, dass er nervös war.
»Wahrscheinlich. Du auch?«
Er nickte.
»Bist du sicher, dass wir dich nicht zur L mitnehmen sollen?«
»Nein, das passt schon«, winkte er ab. Ich öffnete die Autotür. Lance war zwar schüchtern, aber höflich, also lehnte er sich gerade weit genug vor, um in den Wagen hineinzuschauen, und hob zur Begrüßung die Hand. »Hallo!«, sagte er.
Joan legte ein atemberaubendes Tempo vor: »Oh, hallo! Du musst Lance sein, schön, dich kennenzulernen. Du bist natürlich auch eingeladen. Wir wollten rüber ins Einkaufszentrum.« Ich rollte mit den Augen. Wenn es um meine Freunde ging, war sie immer übereifrig. Lance bedankte sich nur schüchtern, trat dann ein paar Schritte zurück und ging schließlich in Richtung Station davon.
»Bis später!«, rief ich ihm hinterher, als er den Blick abwandte und die Hände in den Taschen versenkte.
Sobald die Tür zu war, umarmte Joan mich stürmisch.
»Komm mal her, du. Oh, ich hab dich so vermisst!« Sie küsste mich auf die Wange. »Also, fahren wir zum Water Tower Place? Da haben sie bestimmt eine tolle Auswahl.«
»Wie du möchtest!« Ich versuchte, begeistert zu klingen. Seit Wochen lag
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