Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
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» NEIN !«, brach es aus ihr heraus, bevor sie wieder zu ihrem üblichen Gleichmut zurückkehrte. Diese Reaktion hatte ich erwartet, und es war mir ein Vergnügen, sie rot anlaufen zu sehen. Es kam mir vor, als würde Aurelia jetzt am liebsten toben und rumbrüllen, aber das ging natürlich nicht. »Ich glaube, das ist nicht mehr nötig. Der Monitor war mir zu unruhig geworden, deshalb haben wir die Slideshow ziemlich reduziert.«
»Oh, okay, alles klar«, erwiderte ich ganz unschuldig. Solche kleinen Triumphe würden mir von nun an lichte Momente in diesen dunklen Tagen verschaffen.
Als Lance und ich uns im Büro in der Galerie trafen, besprach ich mit ihm meine neue Strategie, nach außen hin möglichst den Schein zu wahren. Er war mit allem einverstanden. Über dieses schreckliche Datum – mein Ablaufdatum – ließ ich jedoch kein Wort verlauten. Stattdessen hoffte ich einfach, er würde mich nicht erschaudern oder zittern sehen, als wir uns an die Vorbereitungen für den Abschlussball machten. Wir beschlossen, dass sich jeder von uns um zwei Schulen kümmern sollte, die Bürde unserer geliebten Evanston High würden wir jedoch gemeinsam tragen. Lucian hatte Lance alle Namen und Zahlen gegeben, und jetzt wollten diese magischen Abende irgendwie organisiert werden. Lance blätterte die Unterlagen rasch durch und knurrte.
Ich sah von meinen Papieren auf: »Was denn?«
»Rate mal, wer dem Planungsausschuss vorsitzt!«
»Ich lasse mich jetzt bestimmt auf kein Quiz ein, wenn die richtige Antwort dann doch nur zum Kotzen ist.«
»Dummerchen Courtney Samuels.«
»Brr. Gut, dass wir die zusammen übernehmen, allein würde ich das nicht durchstehen.«
Wir schüttelten beide den Kopf.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, die Schulunterlagen durchzugehen und uns mit den verschiedenen Angeboten für den Abschlussball vertraut zu machen, von alkoholfreien Cocktails bis hin zum Hauptgericht.
Bevor wir Schluss machten, schaute ich noch in das Schubfach, in dem sonst die Kamera gelegen hatte – sie war tatsächlich nicht mehr da, und man hatte auch alle Fotos im Computer gelöscht. Aber das Schlimmste von allem: Als ich in meinem Zimmer nach meinem Fotoapparat sah, meiner eigenen alten Kamera von zu Hause, war sie aus meinem Rucksack verschwunden. Ich hatte sie seit meiner Ankunft hier nicht in der Hand gehabt. Jemand hatte sie mir weggenommen.
Lance und ich gehörten zu den Menschen, die selbst inmitten von lebensbedrohlichem Chaos eine gewisse Ordnung schätzten, und verfielen deshalb bald in eine einfache, verlässliche Routine. Jeden Morgen aßen wir auf unseren Zimmern Proteinriegel und trockene Frühstücksflocken, die wir mit Wasser aus der Flasche und Gatorade runterschütteten. Dann brachen wir zu unserem jeweiligen Treffen mit Aurelia und Lucian auf und lieferten Grußkarten und Pralinenschachteln aus, bei denen wir die Schokolade durch Pralinen aus dem Laden ersetzten. Bevor wir dann ins Hotel zurückkehrten, gönnten wir uns draußen in der Zivilisation ein ausgiebiges Mittagsmahl, das einem Kohlenhydrate schaufelnden Marathonläufer zur Ehre gereicht hätte. Das Restaurant suchten wir abwechselnd aus, obwohl Lance sich eigentlich fast immer für eine Calzone bei Giordano’s entschied. Nachmittags erledigten wir Telefonate, mailten unseren Altersgenossen an den fünf Schulen, deren Bälle wir planten, schickten ihnen die nötigen Informationen über mögliche DJs, Menüs, Farben, Blumen sowie Gastgeschenke und notierten, wofür sie sich entschieden hatten.
Die wirkliche Arbeit begann jedoch danach: Jeden Abend liefen wir zusammen durch die Tunnel. Wir rannten hin und her, spornten uns gegenseitig an und feilten an unserem Tempo. Manchmal kletterten wir nur zur Übung sogar die hölzernen Streben unter meinem Schrank ein paarmal rauf und runter. Es half, dass wir uns dabei stets zu übertrumpfen versuchten, wie mit den Chicago-Infos am Anfang des Praktikums.
Die Wochen verstrichen, und ich spürte, dass ich immer fitter wurde, meine Arme und Beine wurden kräftiger, und ich kam nicht mehr so schnell aus der Puste. Als ich noch allein trainiert hatte, waren meine Fortschritte nicht so offensichtlich gewesen. Außerdem war es angenehm, in den leeren Korridoren noch andere Schritte außer meinen zu hören. Wir gönnten uns sogar kleine Belohnungen – die Sitzung endete stets mit einem Mahl, für das wir das Lager unserer Lieblingskneipe plünderten –, wir hamsterten aber
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