Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
aber er war längst verschwunden. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, war aber hellauf begeistert. Keine Ahnung, was da passiert war, aber offensichtlich bekam ich meinen Freund zurück. Jetzt goss ich erst einmal Tee in die Tasse und verwischte damit jede Spur von der Nachricht. Der Gedanke daran wärmte mir aber das Herz und gab mir zusätzlich Kraft, um diese Besprechung durchzustehen. Und was auch immer mir bevorstand.
Aurelia nippte an ihrer Tasse. Dampf stieg daraus auf, aber ich wusste ja inzwischen, warum sie ihren Tee so heiß mochte. »Bevor wir anfangen, möchte ich dir das hier zeigen.« Sie zog eine Zeitschrift aus der Mappe und reichte sie mir. Vom Titelblatt der Chicago aus, der Ausgabe des folgenden Monats, blickte mich Aurelia mit verschränkten Armen an. Neben ihr war eine Silhouette des Hotels zu erkennen, allerdings war sie aus zahllosen kleineren Fotos zusammengestellt, die den Umriss des Lexington nachempfanden. Ich schaute mir die Bilder an und erkannte viele vertraute Gesichter: Dante, Lance, Etan und zahllose Syndikat-Vertreter. Dazwischen hatte man ein paar Schnappschüsse aus dem Tresor eingestreut. Im oberen Bereich entdeckte ich eine Aufnahme von Lucian, aber an der Spitze des Ganzen … thronte ich. Auf dem Bild trug ich meine Uniform und ging die Lobby entlang. Ich hatte keine Ahnung, von wann die Aufnahmen stammten. In den letzten Monaten waren zu verschiedenen Anlässen gelegentlich professionelle Fotografen dagewesen – immer öfter seit der Eröffnung (und seit ich von meinen Aufgaben als Chronistin befreit war). Dieses Porträt von mir sah gar nicht schlecht aus. Unten auf der Seite las ich: »Ein Wahrzeichen wird neu belebt.«
»Wow!« Ich konnte nicht anders, es war mir einfach rausgerutscht. Dann blätterte ich zu dem Artikel vor und fand im Inneren der Illustrierten noch mehr Bilder: Einige zeigten die Clubgäste im Tresor, dann gab es da einen Schnappschuss von mir und Lucian, mit Aurelia am Abend der Eröffnung, und da standen sogar Lance und ich auf unseren Leitern und arbeiteten an dem Wandbild. »Das ist … wirklich nett«, sagte ich und versuchte, meinen Enthusiasmus zu drosseln. Aurelia wirkte äußerst zufrieden mit sich selbst. Meine Narben glühten inzwischen wie die Teekanne.
»Du wirst sehen, dass wir in dem Artikel nur Gutes über dich zu sagen haben. Das Exemplar kannst du gerne behalten.« Sie schenkte mir ein warmes, breites Lächeln.
»Danke.« Ich legte die Zeitschrift auf den Tisch. »Ich freue mich schon darauf, das zu lesen.« In Wirklichkeit war die ganze Sache zum Aus-der-Haut-Fahren.
»Gut. Nun, du weißt sicher, dass sich deine Zeit bei uns mit den anstehenden Abschlussbällen langsam dem Ende neigt.«
»Natürlich.« Mein Verstand versuchte, die wahre Bedeutung ihrer Worte zu erfassen. Wusste sie etwa, wie sehr ich dieses eine Datum fürchtete? Beruhig dich , schalt ich mich selbst. Gib dich ganz gelassen so wie sie. Das zeigt Stärke. »Wenn etwas Spaß macht, vergeht die Zeit eben wie im Fluge«, fügte ich also hinzu. Mein Mangel an Begeisterung ließ die Bemerkung zwar nicht sehr glaubhaft wirken, aber es lag eine neue Stärke darin. Kein Wischiwaschi, kein mädchenhaftes Lächeln. Ich machte Fortschritte.
»Ja, und daher fand ich es nur angemessen, unsere Abschlussbesprechung für heute anzusetzen.«
»In Ordnung«, nickte ich.
»Zunächst möchte ich einmal sagen, dass du deine Aufgaben hier sehr gut erledigt hast. Ich denke, das weißt du bereits.«
»Vielen Dank.«
»In der Galerie hast du eine tolle Leistung erbracht. Deine Fotografien sind«, sie korrigierte sich, »waren zauberhaft, bevor, du weißt schon …« Jetzt schien sie es zu bereuen, überhaupt damit angefangen zu haben. »Du hast Kunden und Medienvertreter ganz wunderbar betreut und mich auf dem Laufenden gehalten, was über uns geschrieben wurde und so weiter. Und auch bei der Abschlussballplanung ist deine Arbeit ja ausgezeichnet, wie ich höre.«
»Danke.«
Ich konnte sehen, wie sie die Muskeln im Nacken anspannte. Das lief für sie offenbar nicht wie erwartet. Sie hatte wohl damit gerechnet, dass ich mich übereifrig und beflissen zeigen würde, wie bei unserer letzten Besprechung an derselben Stelle. Aber sie fuhr fort.
»Ich habe das schon einmal gesagt und werde mit diesen Worten auch in dem Artikel zitiert: Ich sehe dich als meinen Schützling und prophezeie dir für die Zukunft eine wichtige Rolle in unserer Organisation.«
Darauf erwiderte ich
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