Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
bevorzugen die wilden Zwanziger.«
»Ich weiß. Ich meine, hallo?« Ich schüttelte den Kopf. »Wenigstens müssen wir keine echte Kuh besorgen.«
»Soweit ich weiß, ist doch die Theorie mit der Kuh als Brandstifterin längst überholt.«
»Ich glaube, die wollen einfach nur flambierte Drinks, oder?«
»Wahrscheinlich.«
Wir schwiegen einen Moment. Ihm ging jetzt bestimmt dasselbe durch den Kopf wie mir. »Jetzt aber mal im Ernst«, begann er mit düsterer Stimme. Ich wusste auch ohne Worte, was er sagen wollte: Durch die ganze Lauscherei und das Herumschnüffeln hatten wir herausgefunden, dass Aurelia & Co bei diesen Abschlussbällen Seelen in großem Stil kaufen wollten und dafür vor nichts zurückschrecken würden. Essen und Getränke würden wohl vergiftet sein, und das Syndikat würde den Service übernehmen. Egal, was wir von unseren Schulkameraden hielten, das konnten wir einfach nicht zulassen. Und von der Todeswarnung hatte ich Lance gar nichts erzählt. Ich wusste nicht, worauf ich noch wartete, aber ich wollte wohl einfach nicht, dass er mich plötzlich mit Samthandschuhen anfasste. Was gar nicht nötig war, weil ich mich noch nie so stark gefühlt hatte. Falls ich es ihm überhaupt sagen musste, würde ich damit bis zum letzten Moment warten.
»Ich weiß. Uns bleibt nicht mehr viel Zeit. Wir haben fast alle Teile des Puzzles, wissen aber nicht, wie sie zusammenpassen und wie wir das Ganze stoppen können.« Ich klaubte ein paar Krümel vom Teppich und sammelte unsere leeren Chipstüten, die Pita-Verpackungen und Dip-Gläser ein. Wir sahen uns an.
»Noch ein Versuch?«, fragte er, stand auf und wischte sich über die Hose.
»Jap.«
Und dann stiegen wir wieder die Leiter hinauf. Das war ein neues Element unserer Routine – wenn wir beim ersten Durchgang keinen Erfolg gehabt hatten, dann sahen wir noch einmal nach, bevor wir Feierabend machten. Manchmal teilten wir uns die Arbeit sogar auf. Lance war besonders gründlich und verschwand hin und wieder unglaublich lange da oben. Es war schön, nicht alles allein machen zu müssen.
Dieses Mal hatten wir oben mehr Erfolg. Aurelia und Lucian hatten im Büro ihre üblichen Plätze eingenommen: sie hinter dem Schreibtisch, er auf dem Sofa. Aber anstatt sich dort lässig auszustrecken, so als wäre ihm alles egal, saß er dieses Mal kerzengerade da. Und kurz darauf wurde klar, warum – als nämlich der Fürst ins Blickfeld trat. Er hatte an der Wand mit den Gucklöchern gelehnt und marschierte nun auf und ab.
»Gut, uns bleibt also noch eine Woche, aber ich muss Euch warnen – sie sind mit jedem neuen Tag schwieriger zu beherrschen. Ich … ich weiß nicht, wozu sie alles fähig sind«, stammelte Aurelia fast.
»Nun, nun, mein Lämmchen, regen wir uns doch nicht so auf«, beruhigte sie der Fürst.
»Natürlich, mein Gebieter, aber diese Fotos sehen immer schlimmer aus. Ich kann es einfach nicht ertragen.« Aurelias Tonfall ließ Verzweiflung durchscheinen, und sie hob frustriert die Hände.
»Dann sieh sie dir eben nicht mehr an. Oder hör zumindest auf, dir deins anzuschauen, denn das ist ja das Einzige, was dich wirklich interessiert«, warf Lucian kühl, beinahe im Flüsterton, ein. Sie ignorierte ihn.
»Das ist ein Zeichen. Ihre seelenerhellenden Kräfte werden stärker.«
»Oder du könntest das Foto auch einfach zerstören. Obwohl das natürlich Selbstmord wäre.«
»Lucian.« Der Fürst wandte sich zu ihm um, und der Name fuhr heraus wie eine Schlangenzunge. »Ich weiß nicht, was über dich gekommen ist. Vergiss nicht, wo du hier stehst!« Lucian senkte den Blick, während der Fürst wieder Aurelia ansah. »Ihr kennt die einzigartigen Bedingungen ihrer Gabe. Die Seelenerleuchterin ist der Schlüssel. Ihre Bilder zu zerstören bedeutet für die Porträtierten den sicheren Tod. Wenn wir die Fotos loswerden wollen, müssen wir sie aus dem Weg schaffen oder ihre Seele für uns gewinnen.«
Aurelia nahm sich wieder zusammen, sie saß jetzt aufrecht und mit professioneller Miene da. »Lucian hat zur Genüge bewiesen, dass er nichts erreichen kann. Ich schlage vor, ihn von dieser Aufgabe zurückzuziehen«, sagte sie.
»Ich bin mir einfach nicht sicher, ob sie sich überhaupt beeinflussen lässt«, wandte Lucian ein. Er sprach langsam und wägte dabei jedes Wort ab.
»Gut, dann ist es das Aus für sie«, beschloss der Fürst leichthin.
Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um ein Keuchen zu unterdrücken. Lance sah mich mit großen,
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