Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
auf und nickte.
»Ist das gut genug?«, fragte er.
»Ja, auf jeden Fall.«
Lance lächelte schüchtern und setzte sich die Brille wieder auf. Dann sah er mich an und schnell wieder weg. »Danke. Ich denke, ich werde dann mal …« Er deutete auf die Tür und setzte sich in Bewegung.
»Klar, bis später.« Ich winkte, und da war er auch schon weg.
Jetzt war ich heute zum ersten Mal allein und konnte ein Gähnen nicht länger unterdrücken. Aber es gab immer noch einiges zu tun. Ich lud die Fotos auf den Computer und zog dann das Trägershirt an. Als ich schließlich die teure Fernbedienung gefunden hatte, hockte ich mich im Schneidersitz auf den weißen Fußboden. Wenn ich ganz still dasaß, bemerkte man die Narbe vielleicht trotz des Ausschnitts nicht. Ich lächelte, drückte auf den Knopf und hörte das leise Klicken.
Was ich nicht hörte, war das sanfte Klopfen an der Tür.
»Hallo?«, rief eine Stimme, die ich hörte, noch bevor ich ausmachen konnte, woher sie stammte.
Als ich schließlich erstaunt hochsah, hatte ich längst noch einmal abgedrückt, und der Apparat schoss mit einem Klick-klick-klick weitere Bilder.
Hinter der Kamera erschien plötzlich Lucian.
»Tut mir leid, ich wollte nicht stören«, entschuldigte er sich mit dieser tiefen, vollen und honigsüßen Stimme. »Ich komme später wieder, wenn es dir besser passt.«
»Nein, hi, äh, nicht nötig. Ich war sowieso gerade fertig.« Ich stürzte mich auf meinen Pullover, streifte ihn über, glättete mir dann das elektrisierte Haar und sprang auf. »Also, ja … äh, dann sollten wir wohl mal die Plätze tauschen. Du gehörst da vorn ins Scheinwerferlicht und so.« Ganze Sätze bekam ich gerade nicht so gut hin. »Das geht auch ganz schnell. Ich bin sicher, dass du viel zu tun hast.« Ich stellte die Kamera neu ein und änderte den Winkel ein wenig, um ihn perfekt in Szene zu setzen.
Er blieb neben dem Hocker stehen, lockerte seine Krawatte und sah mich an. »Was meinst du: Ist der Schlips übertrieben? Zu bieder?« Er verzog das Gesicht wie ein Kind, das nicht mochte, was es zum Abendessen gab.
Dass ihn meine Meinung interessierte, schmeichelte mir. Zunächst starrte ich ihn nur an, dann sah ich aber wirklich hin, nahm ihn unter die Lupe.
»Na ja, viel falsch machen kannst du eigentlich nicht«, überlegte ich laut und vielleicht etwas zu freimütig. »Es sieht so oder so toll aus. Wie wär’s mit einem Kompromiss? Du könntest eventuell den Knoten lösen, aber den Schlips irgendwie hängen lassen?« Es hörte sich wie eine Frage an, obwohl es nicht so gemeint war. Vielleicht wollte er ja, dass ich ihm dabei zur Hand ging? Vorsichtshalber trat ich vor. Dante würde jetzt sagen: »Natürlich, Dummerchen, worauf wartest du noch?« Aber mehr als diesen einen Schritt bekam ich dann doch nicht hin. Lucian wartete einen Moment ab, was vielleicht als Einladung gemeint war, löste den Knoten aber schließlich selbst. Er setzte sich auf den Hocker, stützte einen Fuß am Boden ab und den anderen auf der Querstrebe. »Okay, äh … lächeln!«, rief ich.
»Wie du meinst.« Er grinste eine Sekunde, und dann nahm sein Gesicht einen entspannten Ausdruck an. Statt zu posieren saß er einfach nur da und sah mich an. Ich fotografierte drauflos, ließ dem Klicken freien Lauf und schoss ein Bild nach dem anderen. Ta-ta-ta.
»Sehe ich dich dann heute Abend im Tresor?«, fragte Lucian, so als hätte er völlig vergessen, dass er hier doch eigentlich für mich posieren sollte.
Ich sah hoch. »Äh, ich weiß nicht so recht.« Und dann wandte ich mich wieder der Kamera zu. Ra-ta-ta-ta.
»Ach, tatsächlich?«, sagte er in einem Tonfall, als zierte ich mich absichtlich und wollte nur überredet werden.
»Ich erhole mich gewissermaßen immer noch von gestern Abend«, gab ich zu.
»Das beste Zeichen, dass es ein toller Geburtstag war«, meinte er mit einem Funkeln in den Augen. Ich knipste weiter, obwohl vermutlich jede bisherige Aufnahme von ihm für eine Ausstellung perfekt gewesen wäre.
»Na ja, dann war meiner wahrscheinlich total genial.«
»Richtig oder falsch: Angeblich musste man dich zu deinem Zimmer zurücktragen?«, neckte er mich.
»Was das betrifft, möchte ich die Aussage lieber verweigern«, murmelte ich schüchtern. Er lachte wieder, und ich lief rot an.
»Klar, du willst dich ja nicht selbst belasten.«
»Danke«, murmelte ich, und dann fiel mir noch etwas ein: »Und vielleicht könntest du das Aurelia gegenüber nicht erwähnen …«
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