Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
Mein kleiner Schwips musste sich ja nicht noch weiter herumsprechen.
»Das würde mir im Traum nicht einfallen«, erwiderte er todernst.
»Danke.« Erleichtert atmete ich auf. »Ich weiß wirklich nicht, was ihr Leute hier in die Drinks tut.«
»Das hätte wirklich alles abbrennen sollen.«
»Tja, dann war das wohl so eine Art unbefleckte Alkoholvergiftung.« Ich fummelte wieder an der Kamera herum.
»Du bist witzig«, befand er freimütig.
»Danke.« Ich war mir ziemlich sicher, dass ich schon wieder rot wurde. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, aber es sah so aus, als würde ich hier flirten, und es lief gar nicht schlecht. Gute Arbeit, Haven.
»Also, was meinst du?« Er stand vom Hocker auf und ging auf mich zu. Ich machte noch ein letztes Foto, bevor er zu nahe herankam.
»Oh. Ja, wir sind hier so weit fertig, danke.«
»Nein, ich meinte den Tresor heute Abend. Obwohl ich ja verstehen kann, dass du nur ungern an den Ort des Verbrechens zurückkehrst.« Er machte sich über mich lustig, aber so behutsam, dass ich nicht eingeschnappt war. Ich lächelte und schüttelte den Kopf. »Wenn ich also nachher mal auf einen Kaffee statt auf einen Drink bei dir vorbeischauen würde, wärst du dann dabei?«
»Ich denke … dafür stehen die Chancen nicht schlecht.« Dante würde begeistert sein.
»Eine gute Antwort.« Lucian band sich die Krawatte wieder um. »Danke für die Sitzung, ich bin gespannt auf mein Bild. Hoffentlich ist es okay.«
»Ja, als Model bist du eine Katastrophe. Wahrscheinlich muss ich alles retuschieren.« Er lachte kurz auf. »Dann sehen wir uns später.«
Sobald er zur Tür hinaus war, fiel mir auf, dass ich in den letzten Minuten kaum geatmet hatte. Meine Lunge brannte, als sie sich wieder zu ihrer vollen Kapazität entfaltete.
Ich war fertig mit meiner Arbeit für heute, daher beschloss ich, eine letzte persönliche Pflicht in Angriff zu nehmen: Ich musste endlich Joan anrufen. Da ich weder in meinem Zimmer noch in der kompletten Lobby Empfang hatte, ging ich schließlich nach draußen. In der bitteren Kälte fröstelte ich augenblicklich. Sobald ich erst im Freien war, zeigte das Display sieben Anrufe in Abwesenheit von Joan. Sieben. Weniger, als ich eigentlich erwartet hatte. Ich wickelte mich fester in meinen Pullover, kuschelte mich hinein, wählte schnell die Nummer und zog mir dann die Ärmel über die Hände.
Joan ging ran, noch bevor das erste Läuten verklungen war, und wollte natürlich alles hören. Ich gab eine leicht geschönte Version meiner Geburtstagsfeier zum Besten und antwortete auf all die typischen Fragen darüber, ob ich denn auch genug aß (ja), oder zu viel arbeitete (nein), und ob sie mich denn mal besuchen könnte (noch nicht). Obwohl ich bei jeder einzelnen Frage mit den Augen rollte, war es doch nett, wie sie sich um mich sorgte. Sie fehlte mir.
Nachdem diese Aufgabe erledigt war, kehrte ich in mein Zimmer zurück. Jetzt, wo die Möglichkeit für ein Nickerchen in erreichbare Nähe gerückt war, fielen mir auch schon die Augen zu, aber da wurde dreimal kurz an meine Tür geklopft. Ich machte das Licht an und schüttelte mich, um wieder munter zu werden. Ein Blick durch den Spion verriet mir, dass draußen Lance stand, der die Hände mal wieder in den Taschen vergraben hatte und etwas unter dem Arm trug. Er schob sich die Brille höher auf die Nase und wiegte sich auf den Fersen vor und zurück. Ich warf rasch einen Blick in den Spiegel, strich mir über das wirre Haar und öffnete die Tür.
»Hey.«
»Hey. Tut mir leid, wenn ich störe.«
»Tust du nicht. Ich bin ja froh, dass ich nicht die Einzige bin, die heute schon freihat.«
»Stimmt, ich hab auch Schluss gemacht. Irgendwie ist nie so recht klar, wann wir Feierabend haben, oder? Also, so ohne Klingeln zum Schulschluss.«
»Genau. Vielleicht könnten wir ja Dante dazu bringen, dass er um eine bestimmte Uhrzeit jeden Tag eine Runde mit seiner Glocke dreht.«
»Das ist doch mal eine Idee. Oder, na ja, unsere Chefs könnten uns vielleicht einfach was sagen.«
»Ja, das wäre auch hilfreich.« Darüber musste er lachen. Ich beschloss anzusprechen, was mir durch den Kopf ging: »Wie ist der überhaupt so? Lucian, meine ich.« Ich spürte, wie mein Herz zu klopfen begann. Was hätte ich nur getan, wenn man ihn mir als Mentor zugeteilt hätte? Dann wäre ich vermutlich viel zu durcheinander gewesen, um mich überhaupt auf irgendetwas konzentrieren zu können.
»Das weiß ich auch nicht so
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