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Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)

Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)

Titel: Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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    »Wir wissen, dass du hart arbeitest, Haven.« Mit einem spitzen Stift – einem Eyeliner – beugte sie sich vor. Ich schloss die Augen, und der Stab fuhr warm meine Lider entlang. »Du bekommst in Zukunft noch oft Gelegenheit, deine Loyalität unter Beweis zu stellen. Beim Rekrutierungsprozess wirst du eine entscheidende Rolle spielen.«
    »Was denn für eine Rekrutierung?«
    »Das wirst du schon noch sehen.« Sie bearbeitete auch das andere Auge und fuhr dann mit einer Reihe von Bürstchen über meine Lider, mit denen sie mich bemalte und verzierte. Dann trug sie kräftiges, rosafarbenes Rouge auf meinen Wangen auf, klappte die Puderdose zu und betrachtete all die perfekt aufgereihten Lippenstifte auf dem Schminktisch. Endlich entschied sie sich für einen Farbton, griff dann nach einem Pinsel, der so dünn war wie ein kleiner Zweig, bedeckte ihn mit einem tiefen Weinrot und tupfte es mir auf die Lippen.
    »Das größte Gut ist die Jugend.« Sie seufzte. »Es gibt keine größere Tragödie, als sich mit einer langweiligen Jugendzeit zufriedenzugeben.«
    »Ich denke eben, dass ich in Zukunft ernten kann, was ich gesät habe, wenn ich jetzt in der Gegenwart auf Nummer sicher gehe und mich auf meine Ziele konzentriere«, wandte ich ein. Aber es klang zögerlich, so als versuchte ich nicht nur sie, sondern auch mich selbst zu überzeugen.
    »Und wo bleibt da die Leidenschaft? Man lebt doch für den Moment!«
    Dies war das genaue Gegenteil von allem, was man mich je gelehrt hatte – an die Zukunft zu denken, jetzt den Grundstein für später zu legen, zu wissen, welchen Weg man einschlagen will. Mein Leben war nicht auf schnelle Befriedigung ausgerichtet, aber ich hatte eigentlich nie das Gefühl gehabt, etwas zu verpassen. Bis jetzt.
    Aurelia wirbelte mich herum, so dass ich mich endlich im Spiegel betrachten konnte. Zum zweiten Mal in nur zwei Tagen erkannte ich mich selbst nicht wieder. Ich war begeistert. Meine Chefin hatte mir die gleiche Frisur verpasst, die sie auch trug: eine Art Wasserwelle im 1920er-Stil mit einem tiefen, leicht zerzausten seitlichen Knoten. Meine Lider hatte sie mit verschiedensten Lagen schwarz und grau geschmückt. Dazwischen war das Braun meiner Augen nur noch ein schmaler Schlitz und glühte wie die Pupille einer Katze. Meine Lippen waren in einem glänzenden Rotton lackiert und wirkten voller, als ich es je für möglich gehalten hätte.
    »Danke, das ist einfach umwerfend«, staunte ich mein Spiegelbild an.
    Aurelia schien es gar nicht zu hören, offensichtlich war sie in Gedanken ganz woanders. »Bist du es denn nie leid, immer … das Richtige zu tun?« Das schien sie wirklich zu interessieren.
    »Äh, irgendwie hab ich darüber noch nie nachgedacht. Das mache ich ja nicht bewusst«, erklärte ich, wandte mich vom Spiegel ab und sah sie an. »Und ich bin ganz bestimmt nicht perfekt.«
    »Findest du das alles denn nicht ermüdend?«
    »Für mich ist es … ganz natürlich.« Langsam bekam ich das Gefühl, dass ich sie verärgert hatte.
    »Scheinbar hast du noch nicht begriffen, wie aufschlussreich es sein kann, wenn man seine Grenzen austestet. Ab und zu aus seiner sicheren Ecke rauszukommen macht Spaß. Jemand hat sogar einmal gesagt, dass man Mut braucht, um zu sündigen.«
    Wieder einmal hatte unsere Unterhaltung eine reichlich seltsame Richtung eingeschlagen, und ich wusste nicht, wie ich mich geschickt aus der Affäre ziehen sollte. Ich hatte keine Ahnung, worauf sie da abzielte, was sie von mir wollte oder erwartete. Ich versuchte immer noch, eine Antwort zu formulieren, als sie plötzlich das Thema wechselte.
    »Zieh das an!«, befahl sie und deutete mit einer Kopfbewegung auf die Kleiderhülle an der Garderobe, während sie begann, die Schminkutensilien wegzuräumen.
    Ich griff nach dem schweren Beutel und zog mich wieder in den Schrank zurück. In der Hülle befand sich ein glänzendes schwarzes Flapper-Kleid mit langen, perlenverzierten Fransen und einer passenden winzigen Handtasche. Es raschelte, als ich es vom Bügel nahm. Ich schlüpfte hinein und stellte fest, dass es wie angegossen saß, was überhaupt keinen Sinn ergab, wenn es doch Aurelia gehörte. Weder war ich so groß wie sie, noch hatte ich ihre Rundungen, und trotzdem schien es wie für mich gemacht. Ich betrachtete mich rasch im bodenlangen Spiegel. Dieses Kleid war ganz schön kurz – der Saum bedeckte meine Oberschenkel nur bis zur Hälfte –, aber da war wohl

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