Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)
Gäste, lag eine gewisse Spannung in der Luft, es kam mir vor, als lauerten überall Leute, ob man sie nun sah oder nicht. Ich spielte hier eine Rolle in einer Show, stellte die perfekte, hilfsbereite Angestellte dar. Dass ich das Lexington heute mit anderen Augen sah, hatte aber nichts mit der Eröffnung zu tun – bei mir war etwas anders. Ich hatte meine Haare nicht so richtig hinbekommen, ohne Aurelias Make-up-Arsenal war meine Schminkroutine mal wieder fast bei null, und ich füllte die Uniform auch nicht mehr aus als am Vortag. Aber eines hatte sich geändert: Ich fühlte mich begehrt. Selbst wenn das nur eine einmalige Sache gewesen wäre, selbst wenn das mein erster und einziger Kuss von Lucian blieb – in diesen kurzen Minuten hatte ich mich begehrt gefühlt, und darin lag große Macht. Trotzdem wünschte ich mir sehnlichst ein Zeichen, dass der gestrige Abend wirklich passiert war.
Da wir uns ja jetzt im Hintergrund halten sollten, mied ich den Haupteingang in der Lobby und ging durch die Hintertür in die Küche des Parlor. Auf unserer Arbeitsplatte ganz hinten entdeckte ich drei Gedecke und daneben eine mir nur allzu bekannte Figur mit Kochuniform und Bandanatuch im Haar.
Er griff nach der Pfanne, löste das Omelett mit sanftem Rütteln und drehte es dann schwungvoll um. Ich hatte mich immer gefragt, ob Dante beim Kochen wohl auch so eine Show hinlegte, wenn ihm niemand zusah – das war wie mit dem Baum, der im Wald umfällt. Ich fand es toll, dass er auch ohne Publikum ein Spektakel daraus machte – das war eben unser Dante.
»Sag mir doch bitte, dass da Brokkoli und Cheddarkäse drin ist und dass ich was abhaben kann«, bat ich seinen Rücken. Mein Freund drehte sich um.
»Hey, du!« Er lächelte, die Pfanne immer noch in der Hand. »Ja und ja, natürlich.«
»Du bist so gut zu mir. Wie kann ich mich da bloß je revanchieren?«
»Ich weiß, wenn ich erst anfange, bei dir all meine Gefallen einzufordern, dann steckst du ganz schön in der Klemme. Was hast du mir denn schon zu bieten? Kochen kannst du jedenfalls nicht«, bemerkte er scherzhaft.
»Ich weiß, ich stehe mit leeren Händen da. Wenigstens hab ich dieses tolle Foto von dir geschossen, das gestern Abend alle bewundert haben.«
»Stimmt. Vielleicht solltest du das meiner Mutter mailen.«
»Ist so gut wie erledigt!«
»Das ist doch schon mal ein Anfang.«
Ich stützte mich neben ihm an einem Küchentresen auf, während er sich auf das Omelett konzentrierte und Schinken, Käse, grüne Paprika sowie Zwiebeln darüberstreute.
»Und … ich habe auch etwas Klatsch und Tratsch für dich, denn dafür bist du doch immer zu haben.«
Gespannt sah er mich an und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich höre.«
»Er hat mich geküsst«, flüsterte ich. Ich fand es noch immer seltsam, das laut auszusprechen.
»Wer?« Er schien wirklich keine Ahnung zu haben.
»Wer?!«
Jetzt war bei ihm der Groschen gefallen.
»Im Ernst?« Er klang skeptisch und brach die Omelettdrehung ab, zu der er gerade angesetzt hatte.
Ich nickte.
»Wie zum Teufel ist das denn passiert?«
»Das frage ich mich auch!«
Ich musste mich setzen, also nahm ich auf einem der Hocker an der Arbeitsplatte Platz.
»Oh! Der erste Kuss! Mein Baby wird erwachsen!« Dante klatschte in die Hände, packte mich bei den Schultern und schüttelte mich. »Besser spät als nie, Mädchen!« Jetzt wurde mir die Sache langsam peinlich. Ich rollte mit den Augen, obwohl ich das ganze Theater insgeheim auch genoss. »Also, wie hat das alles angefangen, was ist das für eine Geschichte?« Er lehnte sich zu mir hinüber. Unser Frühstück, das immer noch auf dem Herd brutzelte, war jetzt vergessen. »Übrigens habe ich schon gehört, dass du gestern Abend um-wer-fend ausgesehen hast.«
»Ach, echt?«
»Lance hat’s mir erzählt.«
»Oh.« Ich lächelte in mich hinein. Wie süß von ihm.
»Aber jetzt warte mal. Also, was? Ich meine, wie?«
»Na ja, ich habe Lucian in der Galerie entdeckt, und dann hat er mich gesehen, und …«
»Sorry, nein, bitte die Kurzfassung – nur die Action, nicht jeden einzelnen schmachtenden Blick. Etan hält mich nämlich an der kurzen Leine – nicht dass mich das stören würde, Gott, ich liebe diesen Mann! –, aber mir bleiben nur noch so etwa fünf Minuten.« Er fuchtelte mit der Hand in der Luft herum, um mir zu bedeuten, ich solle in die Gänge kommen.
Ich gehorchte und fasste nur die wichtigsten Einzelheiten zusammen. Er las mir jedes Wort von
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