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Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)

Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition)

Titel: Das Dunkel der Seele: Die Erleuchtete 1 - Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aimee Agresti
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überall stolzierten Leute mit schicken Schuhen und Handy am Ohr auf und ab. Lance machte sich auf die Suche nach Lucian oder Aurelia, für den Fall, dass sie heute noch eine Aufgabe für uns hatten, und ich ging zur Galerie hinüber.
    Obwohl er immer noch für die Hotelgäste geöffnet war, lag der Ausstellungsraum bis auf einen einzigen Besucher verwaist da. Es handelte sich um den Mann, dem ich am Abend vorher im Lift begegnet war. Auf den ersten Blick hatte ich ihn gar nicht wiedererkannt, da er heute statt Smoking eine dunkle Hose mit Sakko trug. Er stand vor den Fotos des Syndikats und studierte sie so gründlich, dass er beim Klang meiner Schritte aufschreckte, als hätte ich ihn bei etwas Verbotenem ertappt. Aber dann lächelte er.
    »Guten Abend«, grüßte ich mit meiner professionellsten Stimme. Es klang völlig übertrieben. »Falls Sie an irgendwas Interesse haben sollten – hier steht alles zum Verkauf. Sagen Sie mir einfach Bescheid, wenn ich Ihnen behilflich sein kann.«
    »Danke«, entgegnete er sanft.
    Ich wollte ihn nicht stören und zog mich in mein Büro zurück. Den Wunsch, ein Kunstwerk ganz für sich allein zu haben, verstand ich nur zu gut. Wieder kam mir dieses Gemälde, La Jeune Martyre , in den Sinn, und dann musste ich an Lance und seine Kindheit denken, die so ungewöhnlich war wie meine. Ich räumte den Schreibtisch auf, stapelte Aurelias leere Grußkarten und Umschläge sorgfältig und legte einen Ordner für die Liste mit Kontakten an, die sie uns heute gegeben hatte. Dann schloss ich die Schublade mit der Kamera auf und packte das Material für meinen Einsatz als Fotografin zusammen. Aber daran konnte ich jetzt noch gar nicht denken – denn zuerst war ich ja mit Lucian zum Essen verabredet. Irgendwie hatte ich es im Laufe des Tages tatsächlich geschafft, den Gedanken daran zu verdrängen, denn sonst hätte ich wohl kaum etwas auf die Reihe gekriegt. Aber jetzt überkamen mich Vorfreude und Aufregung mit voller Wucht. Ich hatte keine Ahnung, was ich heute Abend anziehen sollte, oder auch nur was ich sagen oder tun würde. Da holte mich eine Stimme wieder in die Gegenwart zurück.
    »Miss? Entschuldigung?« Es war der Mann in der Galerie. »Sind Sie noch da, Miss?«
    Ich eilte aus meinem Büro und traf ihn neben der Tür an. Um nicht aufdringlich zu wirken, hielt er extra ein paar Meter Abstand.
    »Hi, da bin ich.« Nachdem ich ein paar Minuten gesessen hatte, taten meine Füße jetzt mit jedem Schritt höllisch weh.
    »Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Ich habe Interesse an einer Fotografie«, erklärte er. »Darf ich sie Ihnen mal zeigen?«
    »Selbstverständlich, schauen wir uns das doch an«, nickte ich und folgte ihm. Er führte mich zu der Wand mit meinen Bildern vom Syndikat. Mein Herz begann zu klopfen. Schließlich blieb er vor der riesigen Aufnahme von Aurelia stehen.
    »Das hier würde ich gerne kaufen. Ich frage mich, was Sie dafür wohl verlangen.«
    »Wow, vielen Dank«, sagte ich. Ich konnte es mir einfach nicht verkneifen: »Diese Fotos habe ich nämlich alle gemacht.« Jetzt war mir die Sache peinlich, aber es war mir einfach so rausgerutscht.
    »Sie sind sehr talentiert«, bemerkte er in väterlichem Tonfall.
    »Vielen Dank.« Ich biss mir auf die Zunge, um mich nicht wie sonst selbst runterzumachen. Wenn dieser Mann für eins meiner Bilder zahlen wollte, dann sollte ich ihm jetzt besser nicht auseinandersetzen, dass ich eigentlich gar nicht so gut war. Ich sah mir Aurelias Porträt noch einmal an: Es war wirklich nicht besonders. Ich war gestern Abend so erstaunt gewesen, als ich die Falten und die leicht geröteten Augen, aber vor allem diesen seltsamen Fleck auf ihrer Wange bemerkt hatte. Und da waren all diese Makel auch schon wieder und sprangen uns ins Gesicht. Aber dieser Mann schien das Bild aus irgendeinem Grund zu mögen, egal, wie fehlerhaft und ungenau es war. Der Kunde war eben König.
    »Also, was würde das kosten?«, musste er noch einmal fragen.
    »Oh, tut mir leid, stimmt. Also …« Ich hatte absolut keine Ahnung. Und ich fand auch nicht, dass ich mir hier einfach eine Summe aus den Fingern saugen sollte. »Die Preisliste wurde heute Morgen erst fertiggestellt.« Ich hoffte nur, man merkte mir nicht an, dass ich mir das gerade ausdachte. »Wenn Sie noch einen Moment Zeit haben, gehe ich sie schnell holen.«
    »Sicher, danke.«
    Ich nickte und eilte zur Tür hinaus, hetzte am Empfang mit den Rezeptionistinnen vom Syndikat vorbei und schob mich in

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