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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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so schien es.
    Frieda Rosinsky hatte Photini angerufen, weil sie nach all den Jahren einen Verdacht hegte. Er war in ihr emporgerankt wie der Efeu, den sie immer wieder von ihrem Balkon entfernte, mit dicken Gummihandschuhen, weil das Zeug giftig war.
    »Ich glaube, Matt erfuhr es von seinem Onkel. Sie waren in derselben Einheit.« Behutsam nahm sie eines der gerahmten Fotos ab. »Sehen Sie das Divisionsabzeichen an seinem Oberarm? Dieses Dreieck mit der Kanone und dem Blitz und der Ziffer Drei darüber? Das steht für die 3rd Armored Division.« Dann wies sie auf ein anderes Bild, auf dem eine mehrköpfige Familie abgelichtet war. Es stammte aus früherer Zeit. »Der Mann neben Matts Vater, das ist sein Onkel Lou. Er war auch bei der Spearhead Division.«
    »Ich verstehe nicht …«, sagte Photini.
    »Es ging alles so schnell bei unserer Hochzeit 1972. Matt war sehr spontan.« Frau Rosinsky strich über die oft und oft gereinigte Glasscheibe. »Seine Division war bei Frankfurt stationiert. Was wollte er mit einem Mädchen aus Köln? Wir sahen uns nur an den Wochenenden. Er war dagegen, dass wir uns eine gemeinsame Armywohnung in Hessen nahmen. Ich ahnte, dass etwas dahintersteckte, und wollte es nicht wahrhaben. Aber ich hab es gespürt.«
    Sie trug ihr Haar nicht mehr in einem strengen Knoten, sondern schulterlang, offensichtlich war sie beim Friseur gewesen. Ein großflächiges Blumenmuster zierte ihre Bluse.
    »Was meinen Sie damit?« Photini war sofort nach Raderthal gekommen, wo Frau Rosinsky im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses wohnte. Sie wurde nicht aus ihr schlau.
    »Wie Schuppen fiel es mir heute Vormittag von den Augen. Dieser Tunnel. Und der Schatz – so viel hab ich mitbekommen von den Polizisten, die da überall herumstanden, dass es um ein Versteck im Keller ging, aus der Kriegszeit.« Frau Rosinsky sprach schneller. »Zu Hause habe ich dann in Matts alten Zeitschriften und Jahrbüchern nachgeschlagen. Die Spearhead Division war stolz auf ihre Geschichte. Im Jahre 1970 wurde die Befreiung Deutschlands gefeiert, fünfundzwanzigster Jahrestag. Hier.«
    Sie zeigte Photini ein Buch, auf dem das Wappen mit der Kanone und der Drei prangte. »Dieselbe Einheit war im März 1945 dabei, als Köln erobert wurde. Am Dom haben sie einen deutschen Panzer außer Gefecht gesetzt, davon gibt es noch Bilder.«
    Hastig blätterte sie in dem Buch, befeuchtete immer wieder ihre Finger, bis sie die entsprechende Seite fand. »Nach und nach sicherten die Soldaten die linksrheinischen Stadtviertel. Da muss Onkel Lou dabei gewesen sein. Matt hat nie etwas davon erzählt, aus gutem Grund.«
    »Mir ist immer noch nicht klar, worauf Sie hinauswollen«, sagte Photini.
    Frau Rosinsky senkte ihre Stimme. »Irgendwann ist Onkel Lou bestimmt auch nach Marienburg gekommen. In die Villa, das liegt doch auf der Hand. Und dabei hat er diesen Schatz entdeckt, allein, stelle ich mir vor, er durchsuchte das Haus und stieß auf die Grube im Keller. Natürlich konnte er nichts davon mitnehmen, das wäre ja Plünderung gewesen, und seine Kameraden hätten davon Wind bekommen. Also ließ Onkel Lou alles so, wie er es vorfand. Wahrscheinlich plante er, später zurückzukehren und den Schatz zu heben. Aber wie das so war im Krieg, seine Einheit zog weiter, die Briten kamen, und die Gelegenheit war unwiederbringlich vorbei.«
    Photini schaute sich die Bilder in dem Jahrbuch an. Vorrückende Infanteristen. Zerstörte Panzer. Köln in Ruinen. Da konnte man sich eine solche Geschichte schon mal zusammenreimen.
    »Tja, und später erzählte Lou seinem Neffen Matthew von der Sache. Aus Familientradition trat Matthew als Freiwilliger in die 3rd Armored Division ein, Teile der Truppe waren wegen des Kalten Krieges nach Deutschland verlegt worden. Da lag es doch nahe, einen Abstecher nach Köln zu machen, um zu sehen, was aus der Villa in Marienburg geworden war.« Frau Rosinsky machte eine Pause. »Wir lernten uns im Karneval kennen. Ich habe Matt damals auch das Haus gezeigt, in dem ich arbeitete, von oben bis unten. Er fand das sehr interessant.«
    »Wollen Sie damit sagen …«
    »Ja. Matt hat mich nur wegen des Schatzes geheiratet.« Auf diese Feststellung schien sie sogar stolz zu sein. Als habe sie endlich eine Vermutung bestätigt bekommen, die zu abwegig gewesen war, um sie jemandem mitzuteilen.
    »Aber dann merkte er wohl, dass in der Villa nichts für ihn zu holen war«, fuhr Frau Rosinsky fort. »Er kam nicht an den Schatz heran, der

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