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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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interessieren«, überlegte sie, »wer sonst noch seine Vergangenheit bei Großvater … geparkt hat, so kann man das doch ausdrücken. Eine Menge Leute wollten bei Kriegsende viele Dinge loswerden, ganz schnell musste das gehen, bevor die Amerikaner kamen.«
    »Denken Sie an jemand Bestimmten?«, fragte Heide.
    »Zunächst mal an die Nachbarn. Was war eigentlich mit denen? Waren die alle moralisch unbedenklich?« Sylvia Feichtner wurde lauter. »Oder meinen Sie, mein Vater war der einzige SS-Mann in ganz Köln?«
    Raupach blieb ruhig. »Welche Nachbarn meinen Sie?«
    »Das müssen Sie mir sagen.« Sie schloss ihr Auto ab und ging zurück zum Hinterausgang. Heide und Raupach folgten ihr. Abrupt drehte sie sich um. »Geben Sie mir den Ring?«, fragte sie und streckte fordernd die Hand aus.
    »Sie können ihn im Präsidium abholen«, sagte Heide. »Wenn der Fall abgeschlossen ist.«
     
    » HÄTTE ICH doch Flügel wie eine Taube, dann flöge ich davon und käme zur Ruhe. Weit fort möchte ich fliehen, die Nacht verbringen in der Wüste.«
    »Ist das auch aus den Psalmen?«, fragte Jakub.
    »Jedes Wort.« Bernhard Schwan saß dem Psychologen an dem kleinen Tisch in seinem Krankenzimmer gegenüber. Er trug wieder seine Alltagskleidung. Das hellblaue Polohemd und die Jeans waren frisch gewaschen. Am Morgen hatte er geduscht. Das Mittagessen war bereits serviert worden. Er fühlte sich dem weiteren Tag gewachsen.
    »Haben Ihnen unsere Gespräche geholfen?« Jakubs Notizblock lag in Griffweite, das Aufnahmegerät war eingeschaltet.
    Seine Laptop-Tasche hing über der Stuhllehne. Seit zwei Tagen kümmerte er sich nun um Schwan.
    »Sehr. Sie sind ein besserer Zuhörer als der Kommissar.« Vor Schwan lag die Bibel, so dass er sie jederzeit berühren oder darin blättern konnte. »Wann kommt er?«
    »Wir müssen uns noch etwas gedulden.«
    »Natürlich.«
    »Wie war die Nacht?«
    »Voller Fragen, wie immer.« Schwan saß still wie eine Statue. »Ich habe über diesen Schatz nachgedacht. Was Sie mir über den armen Hornung erzählt haben.«
    »Arm?«
    »Er ist tot. Ist das nicht zu bedauern?«
    »Er steht im Verdacht, Dinge getan zu haben, die bis vor kurzem Ihnen angelastet wurden«, sagte Jakub. »Wobei sich die Ermittlung nur verlagert hat. Sie sind noch nicht aus dem Schneider.«
    »Ich möchte keinen Vorteil aus dem Unglück eines anderen ziehen.«
    »Vielleicht wollte Hornung Sie für seine Taten büßen lassen. Indem er so tat, als wäre er Sie.«
    »Das Böse geht verschlungene Wege, niemals gerade.«
    Jakub wunderte sich inzwischen über nichts mehr, was er von Schwan hörte. Die Konsequenz, mit der er seinen Moralbegriff anwandte, war erstaunlich. Erstaunlich rechtschaffen oder erstaunlich pathologisch, Jakub hatte sich noch kein abschließendes Urteil gebildet. Wenn er ehrlich war, hatte er Partei für diesen merkwürdigen Mann ergriffen, auch wenn er Kategorien wie Gut und Böse von Berufs wegen anzweifelte.
    Sie hatten zusammen den Verlust der drei Frauen analysiert. Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen. Schwan hatte nie nachgelassen, er hatte Jakub sein Innerstes offengelegt, sogar seine erotischen Phantasien. All die Ereignisse, die über ihn hereingebrochen waren, hatten ihn nicht zerrüttet, sondern an einen Wendepunkt gebracht, auf den er, ohne es zu wissen, schon lange zugesteuert war. Ein Neubeginn.
    »Was wollen Sie jetzt machen?«, fragte Jakub schließlich.
    »An einen sicheren Ort möchte ich eilen vor dem Wetter, vor dem tobenden Sturm. Denn in der Stadt sehe ich Gewalttat und Hader, bei Tag und bei Nacht machen sie die Runde. Sie ist voll Unheil und Mühsal.«
    »Da mögen Sie recht haben.«
    »Wirf deine Last ab«, fuhr Schwan fort, »übergib sie dem Herrn, er hält dich aufrecht! Er lässt den Gerechten niemals wanken.«
    »Davon müssen Sie sich lösen.«
    »Von meinem Glauben?«
    »Davon, wie Sie die Religion benutzen«, erklärte Jakub. »Als Schutzschild. Auf Dauer ist das nicht gut.«
    »Es hat mir geholfen, all diese Morde zu verarbeiten.«
    »Blicken Sie nach vorn. Bewahren Sie Ihren Glauben, halten sie ihn bereit für den Fall, dass Sie ihn brauchen. Aber tragen sie ihn nicht vor sich her, sonst verschwinden Sie dahinter.«
    »Hm.«
    »Sie sollten sich einer richtigen Therapie unterziehen. Das hier war nur der Anfang. Ich schreibe Ihnen die Adresse eines Kollegen auf.« Jakub notierte den Namen eines befreundeten Psychotherapeuten.
    Schwan nickte. »Und danach könnte ich die Stadt

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