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Das dunkle Erbe

Das dunkle Erbe

Titel: Das dunkle Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Kastura
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verließ den Besprechungsraum und teilte Sharon in seinem Büro den Beschluss mit. Überraschenderweise akzeptierte sie diese Vorgehensweise, bat ihn aber um einen Gefallen. Sie wollte die Protokolle der bisherigen Zeugenbefragungen einsehen.
    »Unmöglich. Du verlangst zu viel.«
    »Ich möchte mir nur einen Überblick verschaffen«, sagte sie. »Und ich werde es garantiert nicht für einen Artikel verwenden.«
    »Deine Zusicherungen sind nicht viel wert.«
    »Aber was ich dir von meiner Familie und meinen Recherchen verraten habe, ist was wert, oder nicht? Was ich über Nazi-Geschenke weiß.«
    Raupach nickte.
    »Ja, dafür bin ich dir auch sehr dankbar.«
    »Und unser gemeinsamer Abend vorgestern, was ist der wert?«, fragte Sharon.
    »Wir wollten das doch nicht vermischen.«
    »Das sehe ich anders«, gab sie zurück. »Man darf es bloß nicht so hoch hängen. So läuft das das wo ich herkomme.«
    »Eine Hand wäscht die andere? Die amerikanische Erfolgsformel?«
    »Wer helfen uns gegenseitig. Das hab ich gemeint.«
    Er setzte sich. Griff sich an den Kopf. Rieb sich die Augen.
    Die ganze Nacht hatte er wachgelegen. Schottland. Norderney. Die Odyssee. Fußball. Bonsai-Bäume. Käsebrote. Die Krebsklinik. Der Händedruck. In einer Endlosschleife.
    Irgendwann hatten sich andere Bilder daruntergemengt. Hitler, wie man ihn vom Fernsehen kannte. Am Rednerpult. In der Reichskanzlei. Auf dem Obersalzberg im Kreis seiner Getreuen. Einige kannte man, Goebbels, Speer, den Schäferhund. Aber es waren immer auch namenlose Gesichter dabei, dienstbeflissene Offiziere, schüchterne junge Frauen.
    Die Vergangenheiten überlagerten sich. Raupach wollte sie voneinander trennen.
    »Ich will doch nur nachschauen, ob mir etwas auffällt, was du und deine Leute vielleicht übersehen haben.« Sharon stützte sich auf dem Schreibtisch ab. »Das kann doch sein.«
    Würde mich nicht wundern. Felix’ Worte.
    Raupach rief Niesken herein. Er sollte dabei sein, wenn Sharon die Protokolle durchlas. Nur einmal. Keine Fotos. Keine Notizen.
    »Danke«, sagte Sharon.
    Er stand auf und ging zurück zu seinem Team.
     
    SIE NAHMEN sich die Berichte der Spurensicherung und der Gerichtsmedizin vor. Viele Fakten, die das bestehende Szenario untermauerten, aber nichts, was ihnen in Bezug auf Hornungs Tod weiterhalf. Jede Menge Fingerabdrücke, die niemandem aus der Verbrecherkartei zuzuordnen waren, im Tunnel, im Keller der Villa, in der Lagerhalle, in Hornungs Büro, in seiner Wohnung. Hattebier und Effie würden noch einige Tage brauchen, um alle Spuren auszuwerten, auch Clausing war mit seiner pathologischen Analyse noch im Verzug.
    Höttges hatte die Besitzer des Grundstücks, von dem aus der Tunnel angelegt worden war, auf Gran Canaria ausfindig gemacht. Angeblich wussten sie von nichts. Außerdem hatte sich der Kommissaranwärter auf dem Arbeiterstrich die Hacken abgelaufen. Der anonyme Anrufer blieb anonym, die Szene hielt dicht.
    Reintgen präsentierte die Auswertung von Hornungs Telefonaten. Sie konnten gerade einmal die Firma identifizieren, die den Tunnelbohrer vermietet hatte, die Rechnung war noch offen.
    Immerhin gab es einen lächerlich kleinen Erfolg. Auf der Fußmatte vor Gesa Simons Wohnung hatte Höttges vor einigen Tagen Erdreste sichergestellt. Sie stammten von der Humusschicht im Garten der Villa, Effie hatte charakteristische Übereinstimmungen im Nährstoffprofil des Bodens festgestellt. Ein schwaches Indiz. Es wies auf Hornung als Täter hin, konnte aber auch Schwan belasten, der wegen des Schatzes aus dem Visier der Ermittlung geraten war und sich immer noch in der Klinik befand.
    Raupach entschied, zusammen mit Heide noch einmal Sylvia Feichtner aufzusuchen.
    »Wo bleibt eigentlich Photini?«, fragte er.
    »Sie ist wohl immer noch bei Frau Rosinsky.« Höttges hatte einen entsprechenden Anruf entgegengenommen. Die alte Arzthelferin hatte um ein Gespräch mit Photini Dirou gebeten. Es dauerte schon ziemlich lang.
     
    MATTHEW ROSINSKY war in der Wohnung seiner Witwe noch sehr präsent, obwohl er seit vierunddreißig Jahren unter dem Rasen des Soldatenfriedhofs in Arlington lag. Eine ganze Wand mit Fotografien zeigte den jungen Sergeanten in Uniform, im Baseballdress, beim Angeln und wieder in Uniform. Herausgeputzt mit Schiffchen und Ehrenzeichen. Dann mit Helm in voller Kampfmontur. Auf weiteren Bildern war das Paar zusammen zu sehen, bei einer Schifffahrt auf dem Rhein, kostümiert im Karneval, beim Tanzen. Glückliche Zeiten,

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