Das dunkle Erbe
wirkte.
Hatte sie sein Verhalten richtig gedeutet? Photini war schrecklich unsicher. Bloß nichts Falsches sagen. Nichts, was … eine Antwort erforderlich machte. Sie kam sich vor wie bei einer Prüfung.
Er stand auf. Wollte er jetzt den nächsten Schritt tun?
In seinen Augen sah sie, dass ihn plötzlich etwas ablenkte. Sie fuhr herum.
Höttges erschien hinter ihr. Sein Timing war katastrophal wie immer.
»Hat die Küche noch offen?« Er rieb sich die Hände und setzte sich an den Tisch. »Gibt’s Oktopussalat?«
»Ich schau mal nach«, sagte Photini schnell und ging in die Küche.
Es gab einen ganzen Eimer voll. Rula legte ein neues Gedeck auf, erleichtert, dass endlich ein guter Esser eingetroffen war.
» TUT MIR leid, dass ich erst jetzt komme«, legte Höttges los, ohne zu bemerken, dass die Luft zwischen Raupach und Photini aufgeladen war. Er saß am Kopfende. »Ich hatte eine interessante Unterhaltung mit einer Mitarbeiterin von Radio Köln. Sie versorgt Heide gelegentlich mit Informationen.«
»Ich weiß.« Raupach hatte sich vor einiger Zeit Heides Rundfunkkontakt zunutze gemacht. Die Frau wollte der Polizei gegenüber anonym bleiben, war jedoch zuverlässig.
»Heide hat ihr meine Nummer gegeben. Ursprünglich ging es um die Frage, ob es in Eva von Barths Familie jüdische Vorfahren gibt.«
»Wegen Evas Buch über jüdische Kultur?«, fragte Photini. »Heide konnte doch nicht ahnen, dass wir diese Liste in dem Sekretär finden.«
»Sharon Springman ist Jüdin.«
»Wie bitte?«
»Wusstet ihr das nicht?«
»Na ja, der Name legt es nahe«, räumte Raupach ein.
»Heide hat Springman bei der Vernehmung im Hotel darauf angesprochen. Sie hat es bestätigt. Heute Morgen fiel das wohl unter den Tisch.«
»Verständlich, bei Heides Zustand. Wie geht’s ihr eigentlich?«
»In einer Woche ist sie wahrscheinlich wieder auf dem Damm«, antwortete Höttges und fuhr fort: »Die Radiofrau hat jedenfalls Bücher zur Stadtgeschichte gewälzt und in alten Zeitungsberichten gestöbert. Sie konnte ein bisschen was herausfinden.«
»Schön.« Photini war mit ihren Gedanken woanders. So wie Raupach seine Serviette glattstrich, zusammenfaltete und wieder glattstrich, schien er ebenfalls abgelenkt zu sein.
Höttges warf einen Blick auf die leere Weinflasche. »Ich weiß, wir sind jetzt nicht mehr im Dienst, aber das müsst ihr euch anhören.«
»Schieß los.«
»Die Ärztevilla gehörte früher einem gewissen David Springmann, mit Doppel-N. Er besaß eine Schürzen- und Wäschefabrik in Hürth. 1938 wanderte er aus. Nach Amerika, soweit bekannt ist.«
»Was sagt man dazu …« Photini pfiff durch die Zähne.
»Vom Alter her könnte Sharon also David Springmanns Enkelin oder Urenkelin sein«, fügte Höttges hinzu. »Sie sind sicher verwandt, ein Zufall ist das nicht.«
»Ausgewandert.« Raupach mochte das Wort nicht. »Geflüchtet trifft wahrscheinlich eher zu. Vertrieben, aus dem Land gejagt. Die Nazis werden ihn enteignet haben.«
»Das müssen wir nachprüfen.«
»Wer hat die Villa denn von Springmann … übernommen?«
Höttges blickte auf den Zettel, auf dem er die Angaben von Heides Informantin in aller Eile notiert hatte. »Ernst Wenzel, ein Kaufmann.« Er hob die Hände. »Mehr haben wir leider nicht. Abgesehen von der Tatsache, dass es in Eva von Barths Familie wohl keinen jüdischen Zweig gibt, die Namen ihrer Eltern tauchen zumindest nicht in diesem Zusammenhang auf.«
»Gustav von Barth erwarb die Villa erst nach dem Ende der Besatzungszeit, das heißt 1949 oder 1950.« Photini betrachtete den Zettel. »Das weiß ich von Viktoria Brehm.«
»Kannte er die Vorgeschichte des Hauses?«, fragte Raupach.
»Keine Ahnung.«
»Sharon Springman weiß sicher mehr darüber. Ist sie in Deutschland, um ihr Erbe einzufordern? Aber warum macht sie das nicht auf legalem Weg?«
Höttges dachte daran, was er über das Thema in der Schule gelernt hatte. »Wiedergutmachung ist nach all den Jahren vermutlich schwierig.«
»Kann doch sein, dass David Springmann das längst von Amerika aus probiert hat – und damit gescheitert ist«, schlug Photini vor. »Weil sich die deutschen Behörden nach dem Krieg taub stellten.«
»Oder weil er für Besitzansprüche keine eindeutigen Beweise erbringen konnte«, sagte Raupach. »Viele Dokumente wurden ja vernichtet.«
»Irgendwelche Akten muss es geben.«
»Sollen wir einen Experten hinzuziehen?«, fragte der Kommissar.
Photini nickte. »Das übernehme ich.
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