Das dunkle Erbe
Zusammen mit Niesken.«
»Was meint ihr?«, fuhr Raupach fort. »Hat Schwan seine Frau und seine Geliebte getötet, und jemandem kam das so gelegen, dass er Eva von Barth umbrachte, quasi im Windschatten der ersten beiden Morde?«
»Und dieser Jemand will es Schwan in die Schuhe schieben«, mutmaßte Höttges. »Dann muss derjenige schnell reagiert haben. Er muss Schwan gut kennen, er muss ihn beobachtet haben, muss von seinem Ferienhaus im Sauerland wissen, vielleicht war er sogar bei den Morden an Sophie und Gesa dabei. Als Fahrer von Schwans Audi zum Beispiel.«
»Das ist die beste Theorie, die ich bisher gehört habe«, sagte Photini.
Raupach kamen Zweifel. »Wenn wir von einem Komplizen ausgehen, wer käme überhaupt in Frage? Sharon Springman? Frieda Rosinsky? Viktoria Brehm? Hornung, der Hausmeister? Sonst haben wir niemanden auf der Rechnung.«
»Von denen hat keiner ein Motiv, außer vielleicht Sharon Springman.«
Höttges lehnte sich zurück, Rula brachte ihm ein Kölsch. »Wer es auch ist, er tut gut daran, sich im Hintergrund zu halten.«
»Genau das macht er auch. Deswegen haben wir ihn noch nicht auf unserem Radar«, sagte Photini. »Sharon Springman kreuzte gestern ganz offen in der Praxis auf. Falls sie die Figur im Hintergrund ist, hat sie die Nerven verloren.«
»Sie brach ja auch in die Villa ein«, gab Höttges zu bedenken.
»Was den Verdacht von Schwan ablenkte, das passt nicht zur Komplizentheorie.«
»Sharon Springman konnte ja nicht ahnen, dass Heide ihr folgt.«
»Trotzdem war es unvorsichtig, aus der Perspektive eines Täters, für den es am besten ist, möglichst wenig in Erscheinung zu treten.«
Raupach beendete diese Phantomdebatte und zog Zwischenbilanz. Sie mussten die Suche nach Verdächtigen ausweiten, auf den Bekanntenkreis von Sophie Schwan und Gesa Simon, die Kontakte des Doktors, seine und Evas Patienten, die Nachbarn in Marienburg, sogar auf den Freund der Arzthelferin, die Höttges noch nicht vernommen hatte. Sie mussten in der Vergangenheit forschen. Dort konnten sie auf Tatmotive stoßen, die ihnen bislang verborgen geblieben waren. Und sie mussten Sharon Springman finden. Raupach wollte es bei diesem Ernst Wenzel oder seinen Nachfahren probieren.
»Wir haben noch eine Menge Steine zu bewegen, immer den gleichen Berg hoch, aber aus unterschiedlichen Richtungen.« Er gähnte. »Das tun wir am besten mit wachem Kopf und klarem Verstand.«
Ein schneller Blick zu Photini, als suche er ihre Zustimmung. »Morgen früh gehe ich zu Heide. Wir drei treffen uns dann mittags im Präsidium. Seht zu, dass ihr bis dahin weiterkommt. Reintgen und Hilgers werden Höttges wieder bei den Vernehmungen unterstützen.«
Hilgers war ein Oberkommissar Ende dreißig, ein zuverlässiger Beamtentyp ohne große Ambitionen. Der junge Reintgen hatte den Rang eines Polizeimeisters im mittleren Dienst. Raupach stellte die Kollegen zu Höttges’ »Unterstützung« ab. Das machte deutlich, dass der Dicke mit der Nickelbrille zum Kernteam der Ermittler gehörte.
»Danke, dass Sie mich so stark einbinden.« Höttges erinnerte sich an die Fahrt ins Sauerland. »Ich werd mein Bestes tun.«
»Solche Kommentare schenken wir uns bei der Mordkommission«, brummte Raupach. »Jeder macht seine Arbeit, mehr verlange ich nicht.«
Höttges schwieg und trank von seinem Bier. Dann kam sein Essen, Oktopussalat ohne Weißbrot. Er hatte gehört, dass man schnell abnahm, wenn man die Kohlehydrate abends einfach wegließ. Keine Nudeln, Kartoffeln und so. Das Kölsch lief außer Konkurrenz.
Im Delphi war inzwischen viel los. Es waren nur noch ein paar Tage bis zum 1. Mai, die Gäste waren in ausgelassener Stimmung. An einem langen Tisch saß eine größere Gruppe Griechen. Sie ließen ein Geburtstagskind so oft hochleben, bis die junge Frau aufstand und mit ihrem Freund ein Tänzchen hinlegte. Für solche Gelegenheiten holte Christos seine Bouzouki von der Wand und spielte auf. Er liebte diese Folklorenummern.
Photini verfolgte, wie Raupach die Hände beim Reden dauernd in Bewegung hielt und so tat, als säßen noch mehr Leute am Tisch, damit er sie nicht ansehen musste. Nach Höttges’ Ankunft hatte er sich dankbar auf den Fall gestürzt. Seine Füße behielt er bei sich.
Sie hatte ihn vorhin in Verlegenheit gebracht und nicht weitergewusst, als es darauf ankam. Was war bloß in sie gefahren? Es hatte etwas Billiges, Schmieriges, mit dem Chef anzubandeln, davor war sie immer zurückgeschreckt. Außerdem
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