Das dunkle Erbe
Vorschuss.«
»Nichts als Worte«, schnaubte Photini. »Das meiste davon haben wir selber bereits herausgefunden.«
»Würdest du uns für einen Augenblick allein lassen?«, fragte Raupach.
Photini starrte ihn an. Hatte sie richtig verstanden?
Er deutete zur Tür. »Bitte, Fofó.«
Photini drehte sich auf dem Absatz um. Draußen betätigte sie lautlos die Klinke. Das Vergnügen einer knallenden Tür wollte sie Springman nicht machen.
» WIE STELLEN Sie sich das vor?«, begann Raupach. »Allein der Vorfall heute in Bonn. Das war Körperverletzung.«
Sharon winkte ab. »Marsh wird keine Anzeige erstatten, todsicher. Wenn seine Vorliebe für Himmler-Geschenke herauskommt, kann er seine noble Weinhandlung schließen. Viele seiner Kunden sind Politiker, die reagieren da empfindlich.«
»Sie sind gut informiert.«
»Außerdem hab ich nicht besonders fest zugeschlagen. Marsh ist wohl nur vor Überraschung umgekippt.«
»Trotzdem …«
»Rufen Sie Ihren Kollegen in Bonn an. Fragen Sie ihn!«
Raupach wählte die Nummer aus seinem Handyspeicher. Clüsserath hob sofort ab und bestätigte Springmans Annahme. Aus dem Mund von Marsh, der wieder zu sich gekommen war, klang es etwas anders: Er habe volles Verständnis für diese unglückliche Situation. Der SS-Ring sei nur ein Erinnerungsstück seines Vaters. Wenn er gewusst hätte, dass er mit einer Jüdin sprach, wäre er natürlich taktvoller gewesen. Er wünsche kein weiteres Aufheben und wolle die Angelegenheit auf sich beruhen lassen.
Raupach beendete das Telefonat. »Sie lagen richtig, Marsh verzichtet auf eine Anzeige.«
Sharon atmete auf. Und schöpfte sogleich Verdacht. »Wenn er so schnell einlenkt, gibt mir das zu denken.«
»Meinen Sie, er besitzt noch mehr Objekte dieser Art? Die zu dem Text der Liste passen?«
»Haben wir jetzt eine Abmachung oder nicht?«
Raupach überlegte. Der Einbruch in die Villa wog um einiges schwerer. Doch Sharon hatte die Schatzkastenliste angeblich schon vor Monaten von Eva von Barth erhalten. Wenn sie die Liste also bereits kannte, wäre es aus ihrer Sicht unnötig gewesen, den Schreibtisch zu durchsuchen.
Es gab zwei Möglichkeiten: Entweder hatte sich Sharon dennoch im ersten Stock zu schaffen gemacht, etwa in der Hoffnung, weitere Unterlagen zu finden. Oder sie sagte die Wahrheit und war stattdessen in den Keller hinuntergegangen, vermutlich um die verschollenen Wertgegenstände zu suchen, Anzeichen eines Verstecks und dergleichen. Das hieße, dass tatsächlich eine dritte Person zeitgleich in der Villa gewesen war, jemand, der Sharons Briefe entwendet hatte, diese unerwünschten Hinweise auf den Schatz, ohne mit Sharons Hartnäckigkeit zu rechnen, ohne zu wissen, dass sie längst in Deutschland war und sich in diesem Augenblick sogar im selben Haus befand. Ein Zufall, aber ein plausibler, denn eine Verschleierungsaktion wie diese musste so schnell wie möglich nach dem Mord vonstattengehen.
Und dann war da noch Heides Gefühl, die Ahnung von der Anwesenheit einer dritten Person. Das gab den Ausschlag, beschloss Raupach.
»Ich garantiere Ihnen nichts. Dieser Deal ist nicht offiziell, nur eine Sache zwischen uns beiden. Den Staatsanwalt schalte ich nicht ein, dafür ist das alles zu spekulativ. Wenn es zur Anklage gegen Sie kommt, werde ich mich für Sie verwenden. Mehr kann ich Ihnen nicht versprechen.«
»Und ich bekomme alle Informationen über die Ermittlung, aus erster Hand«, fügte Sharon hinzu.
»Früher oder später setze ich die Öffentlichkeit ins Bild. Es wird sich nicht vermeiden lassen, dass Sie zu denen gehören, die früher dran sind.«
»Okay.« Sie tat so, als spucke sie in die Hand und reichte sie Raupach. Er griff zu..
»Deal.«
Sharons breites Lächeln erstarb. Sie hätte sich nicht träumen lassen, einmal einem deutschen Polizisten die Hand zu schütteln. Sie war warm und trocken, die Fingerkuppen berührten fast ihr Handgelenk. Ein interessantes Gefühl.
Raupach hielt ihre Hand länger als nötig fest. Er wünschte, die Geste würde mehr beinhalten, Achtung, Versöhnung. Dafür war es wohl zu früh. Er ließ los.
»Wir haben es mit einem Schatz zu tun«, fing sie an.
»So weit sind wir auch.« Raupach entfaltete Gustav von Barths Liste und erklärte Sharon, was es mit dem barocken Schatzkasten-Bezug auf sich hatte.
»Das passt genau zu meinen Recherchen. Von Eva weiß ich, dass ihr Vater diese Liste geschrieben hat, sie befand sich unter seinem Nachlass. Zu seinen Lebzeiten sprach er
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