Das dunkle Fenster (German Edition)
dritten Partei rechnen. Auf deren Liste mittlerweile auch Carmen stand.
Es war zum wahnsinnig werden. Fedorow mochte mit Carmen inzwischen wer weiß wo sein, während sie hier in Jaffa hockten und fruchtlose Überlegungen wälzten.
„Morgen früh“, sagte Katzenbaum, „treffe ich mich mit Binyamin Shalev. Wir werden die beiden schon wieder finden, glaub mir.“
42 München | Deutschland
Es war kühl und regnerisch, als sie mit einer Lufthansa-Maschine auf dem Franz-Josef-Strauß-Airport bei München landeten. Feiner Nebel hing in der Luft.
Nikolaj und Carmen unterschieden sich kaum von den anderen Passagieren. Geschäftsleute, von denen viele noch am selben Abend wieder zurückfliegen würden. In Athen hatten sie sich neu eingekleidet. Nikolaj trug jetzt einen dunkelgrauen Anzug und darunter ein weißes Hemd, Carmen ein Kostüm und hochhackige Schuhe.
Ihre Reise war ereignislos verlaufen. Bei der Flugbuchung und beim Einchecken hatte Nikolaj den Pass benutzt, der auf Giacomo Sebastiano ausgestellt war. Sie befanden sich innerhalb der EU, das bedeutete, dass die Passkontrollen, wenn sie denn überhaupt stattfanden, ohnehin eher formalen Charakter besaßen. In München konnten sie vom Flugsteig aus direkt zum Ausgang laufen, ohne noch einmal aufgehalten zu werden.
Es war Carmens Idee gewesen, nach München zu fliegen. Hier kannte sie sich aus, hier konnte sie ohne Papierkram einen Unterschlupf, ein Auto und eine nicht registrierte Waffe besorgen. Seine Beretta hatte Nikolaj in Limassol in einen Abflusskanal geworfen, bevor sie an Bord der Fähre gegangen waren. Er hatte Carmens Plan zuerst als unsinnig verworfen. Ausgerechnet Deutschland – das war heißer Boden. In Deutschland lag ein Haftbefehl gegen ihn vor. Allein der Gedanke war absurd.
So absurd, hatte er plötzlich gedacht, dass niemand beim Mossad das ernsthaft in Erwägung ziehen konnte. Damit würden die Israelis nicht rechnen, dass er sich ausgerechnet nach Deutschland wandte. Und plötzlich verwandelte Carmens Idee sich in eine reizvolle Option.
In den letzten Tagen hatte er viel über Carmen nachgedacht. Über ihre Motive, ihre Vertrauenswürdigkeit. Es fühlte sich seltsam an, plötzlich eine Verbündete zu haben, erst recht, da er sie sich nicht ausgesucht hatte. Vielleicht war er aber auch einfach zu lange allein gewesen. Er empfand es als ungewohnt, ja beunruhigend, seine Gedanken mit einem anderen Menschen zu teilen. Aber er war auch froh, dass Carmen in Limassol nicht einfach aus dem Wagen gestiegen war. Dennoch konnte er den Verdacht nicht ganz beiseite schieben, dass ihre plötzliche Kooperation motivierter Berechnung entsprang. Was, wenn sie in einem unbeobachteten Moment Kontakt zu ihren Freunden beim Mossad aufnahm, um ihn doch noch in eine Falle zu locken? Das war eine legitime Möglichkeit.
Doch es war ebenso möglich, dass sie die Wahrheit sagte. Bei dem Zusammenstoß an der zypriotischen Küste wäre sie beinahe getötet worden, und zwar von ihren eigenen Leuten. Das musste sie erschüttert haben.
Schweigend gingen sie nebeneinander, durchquerten die Halle mit den Gepäckbändern und den Zoll und traten hinaus in den Ankunftsbereich. Von Athen aus hatte Nikolaj telefonisch einen Wagen reserviert. Sie erledigten die Formalitäten am Avis-Schalter und machten sich auf den Weg zur Tiefgarage. Als Nikolaj die Parkreihe hinunterlief, hatte er zum ersten Mal seit ihrer Ankunft das Gefühl, verfolgt zu werden. Er lauschte auf die Schritte in seinem Rücken, während er nach der Stellplatznummer suchte. Der Wagen, ein VW Passat, stand fast am Ende der Reihe.
Nikolaj stieg ein und beobachtete den Korridor im Rückspiegel. Nachdem Carmen ihre Tür geschlossen hatte, ließ er den Motor an und stieß rückwärts aus der Parklücke. Rasch glitt sein Blick von einer Seite zur anderen. Die Reihe war leer. Wer immer hinter ihnen gewesen war, war nun verschwunden.
„Was ist?“, fragte Carmen.
„Ich weiß nicht. Ich dachte gerade, uns folgt jemand.“
Sie antwortete nicht, aber Nikolaj sah, wie sie sich auf die Lippen biss. Er beobachtete weiter den Rückspiegel, während er auf die Ausfahrt zuhielt. Die Schranke öffnete sich, sie verließen die Garage.
„Richtung München“, sagte Carmen, als sich die Fahrspuren nach ein paar hundert Metern gabelten. Nikolaj schaltete das Radio ein und drehte die Lautstärke herunter.
„Bist du sicher“, fragte sie, „dass uns jemand gefolgt ist?“
„Nein.“ Er ließ die Scheibe ein
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